Heft 5/2019 |
Der Befreiungstheologe Jon Sobrino ist nicht nur aufgrund seines vatikanischen Verfahrens zur Christologie im deutschsprachigen Raum bekannt. Auch seine theologischen Schriften wurden vielfach übersetzt und in ihren verschiedenen Aspekten rezipiert. Theresa Denger stellt in ihrer 2019 erschienenen Dissertation die Theologie des Martyriums in den Mittelpunkt und leistet vor allem durch die eigenständige Weiterentwicklung der Soteriologie mit Blick auf die Opfer der Geschichte einen wertvollen Beitrag zu einer vertieften Auseinandersetzung unter befreiungstheologischen Vorzeichen.
Sie beginnt ihre umfangreiche Studie mit einer ausführlichen Betrachtung der »theologischen Biographie« Sobrinos, die sowohl als Grundlage als auch als Kontextualisierung des theologischen Schaffens dient. In einem zweiten Schritt systematisiert und ergänzt sie die Methoden Sobrinos vor allem im Hinblick auf die Definition der Armen und der Opfer. Diesen einleitenden Überlegungen schließen sich die beiden Hauptteile zur Entwicklung des Märtyrerbegriffs und einer Soteriologie von unten an. Auf einer sehr breiten Literaturbasis zeigt Denger auf, wie sich der Märtyrerbegriff bei Sobrino von einem »thematisch-aktiven « hin zu einem »unthematisch- passiven« oder auch »anonymen« Märtyrertum entwickelt auf der Basis einer von Gewalt geprägten Geschichte El Salvadors. Diese ausführliche Analyse bildet die Basis für die sich anschließenden Überlegungen zur Soteriologie. Im Zentrum steht dabei das Theologumenon des »gekreuzigten Volkes« und die Frage, wie die Erlösung und ihre Vermittlung von den Opfern aus zu denken ist. Im vierten Kapitel trägt die Autorin ihre Erkenntnisse in weiterführende Überlegungen zur Rede von Gott unter radikal inkarnatorischen Vorzeichen und seiner hoffnungsgebenden Zukunftsmacht insbesondere für die Gekreuzigten der Geschichte ein. Im abschließenden Kapitel bringt Denger die Theologie Sobrinos ins Gespräch mit deutschen freiheitstheologischen Überlegungen zu Sünde und Vergebung.
Ein großes Verdienst der Autorin ist die ausführliche biografische Darstellung sowie gelungene Systematisierung des umfangreichen Werkes Sobrinos für den deutschen Kontext. Gerade die geführten und abgedruckten Interviews geben wichtige Hinweise auf die Entwicklung im Denken des Theologen. Besonders erfrischend an der vorliegenden Arbeit ist die intersektionale und feministische Korrektur und damit Weiterentwicklung des Armenbegriffs und die dadurch mögliche Weiterentwicklung im Hinblick auf Christologie, eine Theologie des Leibes oder bestehende Heteronormativitäten innerhalb der Theologie.
Theresa Denger, »Die Liebe ist stärker als der Tod«. Jon Sobrinos Theologie des Martyriums und ihre Konsequenzen für die Soteriologie Ostfildern 2019 ISBN 978-3-7867-3122-1 Von Martina Fornet-Ponse