Catalino Arévalo SJ

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Vater der philippinischen Theologie

Catalino Arévalo wurde am 20. April 1925 in Manila geboren. Nach seinem Abschluss an der Ateneo de Manila High School, trat er im Mai 1941 kurz vor dem Beginn des Pazifischen Krieges in den Jesuitenorden ein. Seine theologische Ausbildung erhielt Arévalo in den Jahren 1951–1955 in den USA, wo er im Weston College, der theologischen Ausbildungsstätte der Jesuiten, die der Universität Boston College angeschlossen war, ein Lizentiat in Theologie erwarb.

Biographische Daten

  • Name: Catalino Arévalo SJ
  • Geburtsort: Manila
  • Geburtstag: 20.04.1925
  • Priesterweihe: 19.06.1954
  • 1997: Orden "Pro Ecclesia et Pontifice"
  • 1998: Ehrendoktor der Ateneo de Manila Universität
  • 2005: "Magnificat Award" der Erzdiözese Manila
  • 2009: "Award of Recognition" der FABC

Am 19. Juni 1954 weihte ihn Kardinal Spellman zum Priester. 1956 begann er in Rom ein Spezialstudium in dogmatischer Theologie und wurde 1959 mit einer Arbeit über »Die Theologie der Kirche als Mystischer Leib bei J.B. Perrone und Carlo Passaglia« promoviert. Als Inspiratoren für seine eigene theologische Lehrtätigkeit nennt er die Theologen Bernard Lonergan, Yves Congar, Karl Rahner und Karl Barth. Nach einer kurzen Lehrtätigkeit am Weston College in den USA kehrte er 1959 auf die Philippinen zurück und begann zunächst im Priesterseminar San José in Manila mit Vorlesungen in dogmatischer Theologie, die damals kurz vor dem 2. Vatikanischen Konzil noch in Latein gehalten wurden. Unter dem Einfluss der Beschlüsse des Konzils gründeten die Jesuiten 1965 eine eigene theologische Ausbildungsstätte die »Loyola School of Theology«, in der Englisch, später auch für einzelne Kurse Filipino, die Unterrichtssprachen waren. Catalino Arévalo gehörte zu den Professoren der ersten Stunde und zu den Pionieren im Aufbau der theologischen Fakultät Loyola College an der Ateneo Universität der Jesuiten in Manila, an der er gut 30 Jahre unterrichtet hat.

Die neuen Einsichten des 2. Vatikanischen Konzils verunsicherten Catalino Arévalo zunächst, wurden ihm dann aber zur Inspiration seiner eigenen lebenslangen theologischen Bemühungen. Für ihn waren sie Berechtigung und Verpflichtung, eine an den kulturellen und religiösen Traditionen ausgerichtete kulturelle Theologie zu entwickeln, eine direkte Konsequenz des Zweiten Vatikanischen Konzils. Dabei berief er sich auf die Aussage des Missionsdekrets, in der gefordert wurde, dass für den Prozess der Inkulturation des christlichen Lebens »die theologische Forschung in jedem soziokulturellen Großraum gefördert werden muss« (AG 22). Catalino Arévalo hat diese Weisung des Konzils zur Grundausrichtung seiner eigenen theologischen Arbeit gemacht. Die Aufgabe, eine philippinische Theologie zu entwickeln, hat er selber so formuliert: »Eine philippinische Theologie muss den philippinischen Christen, die sich für soziale Gerechtigkeit und soziale Reformen engagieren, konkrete Antworten auf die vielen Probleme der gegenwärtigen Gesellschaft geben. Zugleich muss sie die geschichtlichen Erfahrungen der philippinischen Kirche in der Kolonialzeit reflektieren und die Rolle der philippinischen Kirche im Rahmen der asiatischen Kirchen und der Weltkirche neu bestimmen.« Im Rückblick auf seine eigene theologische Tätigkeit und in Würdigung der Arbeit anderer philippinischer Theologen stellt er drei Jahrzehnte später nüchtern fest, dass die Aufgabe, eine genuin philippinische Theologie zu entwickeln, auch heute noch ganz in den Anfängen steckt. Seinen eigenen Beitrag als Pionier und Wegbereiter sieht er darin, dass Anliegen einer inkulturierten philippinischen und asiatischen Theologie in vielen Beiträgen auf Konferenzen, in unzähligen Hintergrundpapieren und Beratungen vorangebracht zu haben. Im Rückblick auf sein Lebenswerk als Theologe, Ratgeber und geistlicher Führer hat er dies bei der Verleihung der Ehrendoktorwürde der Ateneo de Manila Universität 1998 so ausgedrückt: »Es ist eine der grundlegendsten Aufgaben einer jeden Ortskirche, eine Theologie zu entwickeln, die im Rückgriff auf die kulturellen und religiösen Werte sich den Herausforderungen der jeweiligen geschichtlichen Situation stellt«.

Aufgegriffen wurde diese Forderung von den asiatischen Bischöfen auf ihrem ersten gesamtasiatischen Treffen in Manila 1970, dem Gründungsdatum der »Vereinigung Asiatischer Bischofskonferenzen« (FABC). Dort haben die asiatischen Bischöfe sich verpflichtet, eine einheimische Theologie zu entwickeln und alles in ihrer Macht Stehende zu tun, damit das Leben und die Botschaft des Evangeliums in der reichen Geschichte der Kulturen und Religionen Asiens immer mehr Gestalt annehme. Bei der Gründung der FABC und vor allem bei der Formulierung der Aufgabenstellung hat Catalino Arévalo eine wichtige und bestimmende Rolle gespielt. Bei der 1. Vollversammlung der FABC in Taipei 1974 wurde die griffige Formel des »Dreifachen Dialogs«, des Dialogs mit den »Kulturen« im Bemühen um Inkulturation, des Dialogs mit den »Religionen« und des Dialogs mit dem Ärgernis der »Armut« in Asien im sozialen Apostolat geprägt. Bei der Formulierung dieser wichtigen Leitlinie hat Catalino Arévalo, der bei dieser Versammlung das einleitende Grundsatzreferat zur Thematik »Evangelisierung im heutigen Asien« hielt, einen wesentlichen Anteil gehabt.

In den Jahren nach dem Konzil begann die lateinamerikanische Befreiungstheologie einen großen Einfluss auf Theologen in Asien und in Afrika auszuüben. Catalino Arévalo selber hat 1970 Lateinamerika besucht und in Kontakten mit Vertretern dieser theologischen Richtung wie Gustavo Gutiérrez, Juan Luis Segundo und anderen sich einen direkten Überblick verschafft. In Vorlesungen an der Loyola School of Theology und im East Asian Pastoral Institute sowie in Vorträgen an vielen Orten im Lande hat er die Grundgedanken der Befreiungstheologie vorgetragen und damit in den Philippinen verbreitet. Zugleich hat er aber nie einen Hehl daraus gemacht, dass er Vorbehalte gegen einige der Inhalte der Befreiungstheologie hatte wie zum Beispiel ihre Nähe zu sozialistischem-kommunistischem Gedankengut und die Billigung des Gebrauchs von Gewalt zur strukturellen Veränderung der Gesellschaft. Die Philippinen befanden sich zu dieser Zeit unter dem Regime von Ferdinand Marcos, der 1972 das Kriegsrecht verhängt hatte, in einem bürgerkriegsähnlichen Zustand. Catalino Arévalo gehörte zu den Theologen, von denen die Bischöfe Antworten erwarteten, wie die Kirche ihre Mission, Anwalt der Rechte der Armen zu sein, wahrnehmen könne. In dieser gespannten Zeit, als auch Ordensleute und Priester wie zum Beispiel Luis Jalandoni, Edicio de la Torre u. a. sich für den gewaltsamen Kampf gegen die Diktatur entschieden, gehörte Catalino Arévalo zu den Theologen, die einer Radikalisierung entgegentraten. Die Reihe der »Loyola Papers«, die er zu dieser Zeit begründete, hatte zum Ziel, in der Deutung der »Zeichen der Zeit« möglichst konkrete Handlungsweisungen für die Bischöfe, die Konferenz der Ordensobern und die vielen Aktionsgruppen zu geben. Von linken Aktivisten in der Kirche wurde Catalino Arévalo damals wegen seiner Weigerung, mit den kommunistischen Kräften zusammenzuarbeiten, als »Armstuhl-Theologe« beschimpft. Die Option für den gewaltfreien Widerstand gegen das Marcos-Regime, die er immer vertreten hat, fand in der gewaltfreien »EDSA-Revolution« im Februar 1986, die das Ende der Diktatur herbeiführte, ihre Bestätigung. In dieser turbulenten Zeit war Catalino Arévalo ein enger Berater von Kardinal Jaime Sin, dem Erzbischof von Manila. Für Corazon Aquino, die als Präsidentin den Aufbau einer demokratischen Gesellschaft nach Fernando Marcos versuchte, war er ein geschätzter geistlicher Berater und Vertrauter. Ausdruck dieser persönlichen Verbindung mit Cory Aquino und ihrer Familie war, dass Catalino Arévalo bei ihrer Beerdigung im August 2009 ihr Leben mit einer ergreifenden Rede hat würdigen dürfen.

1974 wurde Catalino Arévalo als erster philippinische Theologe für den ostasiatischen Raum in die Päpstliche Theologische Kommission in Rom berufen, wo er bis 1986 tätig war. Im Rückblick stellt er fest, dass er in dieser Zeit von den in dieser Kommission vereinten Theologen viel gelernt habe. Kritisch merkt er an, dass er damals nicht den Eindruck gehabt habe, dass die europäischen und amerikanischen Theologen umgekehrt Interesse an Beiträgen aus der Sicht einer asiatischen oder philippinischen Theologie gehabt hätten. Ein echtes Interesse an anderen Kulturen und Traditionen hat er bei den europäischen »selbstgenügsamen« Theologen jedenfalls nicht feststellen können. Die Ausnahme sei Yves Congar gewesen, der ihn und den damaligen Vertreter der afrikanischen Theologie in der Kommission, John Onaiyekan, aufgefordert habe, sich in die Diskussion mit eigenen Beiträgen einzubringen. Catalino Arévalo beklagt diesen Mangel an Interesse für die Beiträge, die nach seiner Meinung die asiatischen und afrikanischen Kirchen und Theologien zur vollen Katholizität der Kirche hätten beitragen können. Bei der Organisation und Durchführung des ersten Internationalen Missionskongresses, der 1979 in Manila abgehalten wurde, hat Catalino Arévalo als theologischer Koordinator entscheidende Beiträge geleistet und die Publikation der Ergebnisse »Auf dem Weg zu einem neuen Zeitalter der Mission. Gottes Herrschaft in Asien«, die 1981 in drei Bänden veröffentlicht wurde, verantwortet.

Ein weiterer wichtiger Beitrag von Catalino Arévalo ist sein Anteil an der Gründung der Theologischen Beratungskommission der FABC (TAC) im Jahr 1985, später umbenannt in »Büro für theologische Angelegenheiten « (OTC), deren Sekretär und Mitglied er von 1985–1992 war. Jedes Jahr treffen sich dort Theologen aus den Mitgliedskirchen der FABC, um anstehende theologische Fragen gemeinsam zu diskutieren und für die Bischöfen theologisch fundierte Studien zu erstellen, die ihnen helfen sollen, die »Zeichen der Zeit« zu erkennen, um auf die Herausforderungen des ständig sich ändernden Kontexts in Asien zu antworten. Ein besonders wichtiger Beitrag zur Verbreitung der vielen theologischen Einsichten und Ergebnisse, die aus der Arbeit der FABC in ihren Vollversammlungen und besonders in den vielen Seminaren für Bischöfe zu Themen des Dialogs, der Mission, der Liturgie, des sozialen Apostolat und anderer Themenbereiche resultierten, war die Veröffentlichung dieser Dokumente in der mittlerweile vier Bände umfassenden Sammlung »For All the Peoples of Asia«, die Catalino Arévalo zusammen mit dem gegenwärtigen Kardinal von Manila Gaudencio Rosales 1992 begonnen hat. Das größte Anliegen im theologischen Schaffen von Catalino Arévalo ist es, das »asiatische Gesicht Christi« zu entdecken und den Menschen in Asien nahe zu bringen, wie er selber mit den Worten des Schlussdokuments der ersten Vollversammlung der FABC (Taipei 1974) gleichsam als Zusammenfassung seiner eigenen Lebensarbeit einmal so formuliert hat: »Es gibt einmal das Wort, das von Beginn der Zeit an in den Philosophien und Religionen Asiens präsent ist. Dann gibt es Christus, den Kyrios und Haupt der Kirche, wie ihn die Evangelien beschreiben. Aufgabe der Mission der Kirche in Asien ist es, diese beiden Aspekte von Christus miteinander in einen Dialog zu bringen. Der Christus unserer asiatischen Völker wird aus der Begegnung dieser beiden Gesichter Jesu entstehen.«

In Anerkennung seiner Lebensarbeit als Theologe, Ratgeber und geistlicher Führer ist Catalino Arévalo vielfach ausgezeichnet worden, so mit dem Orden »Pro Ecclesia et Pontifice« (1997), mit dem Ehrendoktor der Ateneo de Manila Universität (1998), dem »Magnificat Award« der Erzdiözese Manila aus Anlass seines 80. Geburtstages 2005 und zuletzt mit dem »Award of Recognition« der FABC (2009). Bei all dieser berechtigten Anerkennung zeichnet es Arévalo aus, dass er um seine eigenen Grenzen als Theologe weiß, zugleich aber in einer inneren Freiheit und Großzügigkeit immer offen ist, andersdenkende Theologen aus anderen Kontexten zu respektieren, ihre Initiativen zu begrüßen und ihnen Erfolg zu wünschen. Die große Synthese seines eigenen so vielseitigen theologischen Schaffens ist ihm nicht gelungen, da er sich buchstäblich im Dienst an der Kirche verausgabt hat. Dass davon nichts zwischen zwei Buchdeckel gelangt ist, stört ihn nicht, da er das meiste in die Herzen seiner Hörer gesät hat. In einem früheren Interview sprach er von seiner großen Hoffnung, dass der Beitrag der asiatischen Kirchen zur katholischen Fülle der Kirche in Zukunft gewichtig und bedeutsam sein wird. In Abwandlung eines Jesaja- Textes (Jes 19,25) schloss er mit dem Segensspruch: »Gesegnet sei China, mein Volk. Indien, Japan und Myanmar, das Werk meiner Hände und die Philippinen, mein Erbe!«.

GEORG EVERS
Missionswissenschaftler