Johannes Baptist Banawiratma SJ

Foto: Georg Evers

Das theologische Wirken von J. B. Banawiratma, in Indonesien von seinen Freunden meist kurz Bono genannt, lässt sich vielleicht am besten zusammenfassen, wenn man ihn als einen »Theologen des Dialogs« beschreibt. Dies gilt zum einen im Hinblick auf seine außerordentliche Fähigkeit, auf andere Menschen offen zuzugehen, Freundschaften zu schließen und Einladungen von verschiedenster Seite zum Dialog anzunehmen. Zum anderen steht der Dialog aber auch im Mittelpunkt seiner theologischen Arbeit, die er selbst verstanden wissen will als Dialog mit den Armen, mit der Kultur und mit den Religionen, was in Indonesien primär ein Dialog mit dem Islam ist. Banawiratma umschreibt dieses umfassende Anliegen – mit anderen asiatischen Theologen – am liebsten mit dem Begriff der »Kontextuellen Theologie«.

 

Eine Auswahl von Publikationen

  • Sang Guru. Pertemuan Kejawen dengan Injil [Jesus der Lehrer. Begegnung zwischen der javanischen religiösen Erfahrung und dem Evangelium], Yogyakarta 1977.
  • Der Heilige Geist in der Theologie von Heribert Mühlen, Frankfurt/M. 1980.
  • Kristologi dan Allah Tritunggal [Christologie und Dreifaltigkeit], Yogyakarta 1985.
  • Banawiratma, Johannes B.; Jacobs, Tom-Kemiskinan dan Pembebasan [Armut und Befreiung], Yogyakarta 1987.
  • Aspek-aspek Teologi Sosial [Aspekte einer Sozialtheologie], Yogyakarta 1988.
  • Doing theology with local resources: An Indonesian experiment, in: East Asian Pastoral Review, 26 (1989), H. 1, S. 51–72.
  • Spiritualitas Transformatif. Suatu Pergumulan Ekumenis [Umwandelnde Spiritualität. Eine ökumenische Debatte], Yogyakarta 1990.
  • Iman, Pendidikan dan Perubahan Sosial [Glaube, Bildung und sozialer Wandel], Yogyakarta 1991.
  • Berteologi Sosial Lintas Ilmu. Kemiskinan sebagai Tantangan Hidup Beriman, Yogyakarta 1993 (4. Auflage, 2000) (gemeinsam mit J. Müller). Deutsche Übersetzung: Kontextuelle Sozialtheologie. Ein indonesisches Modell, Freiburg u. a. (Herder) 1995.
  • Teologi Kemerdekaan [Theologie der Freiheit], Yogyakarta 1996.
  • Christian life in religious pluralism: Ecumenical concerns in interreligious dialogue, in: CTC Bulletin, 15 (1998), H. 2, S. 46–52.

Er kommt aus dem zentraljavanischen Kerngebiet der Region von Yogyakarta. Inkulturation im javanischen Kontext in Theorie und Praxis war ihm schon sehr früh ein großes Anliegen, wovon sein erstes Buch, seine theologische Diplomarbeit, mit dem Titel »Jesus der Lehrer. Begegnung zwischen der javanischen religiösen Erfahrung und dem Evangelium« Zeugnis gibt. Viele Javaner, obwohl nominell Muslime, sind von einem javanischen Synkretismus geprägt, einer Religiosität, die altjavanische, hinduistisch-buddhistische und islamische Elemente vereint. Sie besteht aus meditativen und asketischen Praktiken, die letztlich zur mystischen Vereinigung mit dem Göttlichen führen sollen. Diesem »inneren Weg« widmen sich zahllose so genannte Kebatinan-Strömungen, kleine und informelle, oft sektenartige Gruppen, meist unter der charismatischen Führung ihres jeweiligen Guru als »Lehrer«. Das Buch versucht eine Brücke von diesem Leitbild des Guru hin zur Person Jesu zu schlagen.

Nach seinem Doktorat in Innsbruck 1980 begann Banawiratma an der Theologischen Fakultät Wedabhakti der Katholischen Universität Sanata Dharma in Yogyakarta zu lehren, wo er im Lauf der Jahre vielfältige Funktionen wahrgenommen hat. Er war maßgeblich beteiligt an der an dieser Fakultät entwickelten Methode einer »Theologie von unten«, die von den konkreten Erfahrungen und Problemen der Menschen inmitten ihres jeweiligen sozio-kulturellen Kontextes auszugehen versucht. Mit Hilfe von vier methodischen Schritten, die als eine Art Kreisbewegung oder »pastoraler Zirkel« zu verstehen sind, bemüht sich diese Theologie um eine menschlich und kontextuell verständliche Glaubensverkündigung. Diese Vorgehensweise ist im Grunde nichts Neues. Ihre vier Schritte (direkter Kontakt, soziale Analyse, theologische Reflexion, Praxis) decken sich weithin mit dem klassischen »Sehen, Urteilen, Handeln«. Neu ist nur ihre systematische Entfaltung und konkrete Anwendung. Diese Me thode wird im Rahmen des Theologiestudiums auch »Projekt-Theologie« genannt, um die »experimentelle« Offenheit des Lernprozesses zu unterstreichen.

Banawiratma hat diese Methode vor allem im Rahmen seiner »kontextuellen Sozialtheologie « angewandt. Das besondere Merkmal dieses »Projekts« besteht darin, dass die Studierenden, die während der Dauer des Projekts feste Lern- und Arbeitsgruppen bilden, in der ersten Phase die Situation der Armut durch »teilnehmende Beobachtung« möglichst hautnah kennen lernen sollen. Bereits zwei Monate vor dem eigentlichen Beginn wählen die Gruppen einen Ort und bereiten ihren Aufenthalt vor. Dabei ist eine möglichst große Vielfalt von Orten (z. B. Umsiedlungsprojekt, Slum, Fabrik) und damit Erfahrungen wünschenswert, da dies den weiteren Verlauf des Projekts sehr bereichert. Die eigentliche Phase der Beobachtung dauert eine Woche, während der die Gruppen möglichst direkt mit den Menschen an ihren Zielorten zusammen leben und arbeiten sollen, indem sie z. B. mit den Fischern aufs Meer fahren oder selbst als Straßenhändler oder Plantagenarbeiter arbeiten. Diese sicher sehr kurze Erfahrung, in Asien meist exposure to the poor, in Yogyakarta live-in genannt, ist für die meisten Teilnehmer sehr eindrucksreich und für ihre Beteiligung an diesem Projekt sehr motivierend. Dieses live-in ist in den meisten Fällen zugleich ein interreligiöser »Dialog des Lebens«, da man an diesen Orten der Armut unvermeidlich mit Menschen anderen Glaubens zusammen ist. Häufig leben Gruppen in dieser Woche sogar in einem rein islamischen Dorf. Nach ihrer Rückkehr schreibt jede Gruppe einen Bericht, der Grundlage aller weiteren Reflexion ist.

Ein zweites Merkmal dieser Sozialtheologie ist der Versuch, soziale und theologische Reflexion zwar miteinander zu verknüpfen, aber methodisch möglichst genau und scharf zu unterscheiden. Zunächst wird eine »soziale Reflexion« versucht, die sowohl sozialwissenschaftliche wie sozialethische Momente umfasst. Daran schließt sich die theologische Reflexion an. Diese methodische Trennung hat den sehr praxisnahen Vorteil, dass er in multireligiösen Gesellschaften wie Indonesien eine gemeinsame Basis ermöglicht, nicht nur der Erfahrung, sondern auch in der sozialen Reflexion, an die dann ganz unterschiedliche theologische Reflexionen anknüpfen können. Auf diese Weise kann eine tragfeste Grundlage für gemeinsames Handeln geschaffen werden. Insofern ist diese Vorgehensweise immer schon auf den interreligiösen Dialog ausgerichtet, sie lässt sich aber in gewisser Weise auch in säkularen Gesellschaften anwenden.

Damit ist bereits das dritte große Anliegen von Banawiratma angesprochen, nämlich der interreligiöse Dialog, und zwar ganz real und praktisch und nicht nur auf einer theologischen Ebene. Er hält darum Vorlesungen und Vorträge an islamischen theologischen Hochschulen, nimmt an Konferenzen islamischer Organisationen u. a. m. teil. All dem kommt heute in Indonesien eine lebenswichtige Bedeutung zu (Anm. der Redaktion: Siehe den Artikel Gibt es keine Hoffnung mehr auf S. 13 ff. in dieser Ausgabe). Im Mittelpunkt dieses Dialogs zwischen den Religionen steht aufgrund der Situation das gemeinsame Suchen nach friedlichen Lösungen, was möglichst breite und vertrauensvolle Kontakte voraussetzt.

Theologisch geht es Banawiratma um eine interreligiöse Gemeindetheologie als Grundlage für ein konstruktives Zusammenleben christlicher Gemeinden mit anderen Glaubensgemeinschaften. In Anlehnung an christliche Basisgemeinden will er eine Brücke schlagen zu menschlichen Basisgemeinden (Basic Human Communities), die von Gemeinschaften unterschiedlicher Religionen auf der Grundlage des alltäglichen Zusammenlebens und gemeinsamer menschlicher Sorgen und Anliegen errichtet werden. Die Erfahrung des Miteinander im Alltag und die Zusammenarbeit für geteilte Probleme haben sich in Indonesien immer wieder als die beste Basis für Begegnung und Dialog erwiesen. Dieser »Dialog des Lebens« erwächst also aus gemeinsam erfahrenen Bedrohungen, die man auch nur gemeinsam bewältigen kann.

Im Idealfall, wenn es zu vertrauensvoller Zusammenarbeit kommt, können sich die Besonderheiten der verschiedenen Religionstraditionen schließlich in interreligiösen Basisgemeinden (Basic Interreligious Communities) begegnen und gegenseitig bereichern. Voraussetzung sind Offenheit und Demut im gemeinsamen Bemühen, das Geheimnis Gottes zu suchen und zu finden – nicht zuletzt im gemeinsamen Beten. Angesichts der Grenzen jeder religiösen Tradition kann dies dazu beitragen, dass sich der christliche Glaube und die anderen Glaubensüberzeugungen darin bestärken, das Geheimnis des Glaubens im Reichtum ganz unterschiedlicher Formen zu entdecken und zu ergründen.

Johannes Müller SJ
Professor für Sozialwissenschaften und Entwicklungspolitik an der Hochschule für Philosophie in München