Die Philippinen sind zwar in Asien das einzige Land, in denen die Katholiken mit über 80 % Anteil an der Bevölkerung die stärkste Religionsgemeinschaft darstellen. Verglichen mit ihrer zahlenmäßigen Stärke hat es bisher in der katholischen Kirche in den Philippinen nur Ansätze für eine eigenständige inkulturierte Theologie gegeben und der Beitrag philippinischer Theologen bei der Entwicklung einer asiatischen Theologie ist auch eher bescheiden geblieben. Unter den philippinischen Theologen, die an der Thematik einer inkulturierten und kontextuellen Theologie arbeiten, nimmt José de Mesa mit seinen theologischen Beiträgen, die Elemente der religiösen und kulturellen Traditionen der Bewohner des philippinischen Flachlandes (Lowland Filipino Context) aufgreift, eine besondere Stellung ein. Der 1946 in Manila geborene de Mesa durchlief zunächst seine philosophische und theologische Grundausbildung an der Maryhill School of Theology in Manila. Den theologischen Doktorgrad machte José de Mesa 1978 im belgischen Löwen, wo er an der renommierten Universität eine solide Ausbildung in klassisch-abendländischer Theologie erhalten hat. Damit gehört er ebenfalls noch zur Generation der »Theologen des Übergangs«, wie A. Lambino, ein anderer philippinischer Theologe, jene Theologen aus der Dritten Welt genannt hat, die auf der einen Seite ihre Ausbildung noch ganz in der westlichen Theologie gemacht haben, sich in ihrer eigenen theologischen Arbeit aber als Pioniere einer neuen einheimischen Theologie verstehen, die in der Methode, den Inhalten und den Ressourcen sich von der westlichen Form des Theologietreibens unterscheidet. Die Ausrichtung der theologischen Arbeit auf den kontextuellen Bezug zu den Philippinen zeigte sich aber schon am Thema seiner Doktorarbeit »And God Said ›Bahala Na!’, The Theme of Providence in the Lowland Filipino Context«. Nach seiner Rückkehr von den Studien in Europa hat José de Mesa von 1978 –1990 an der Maryhill School of Theology in Manila als Professor für systematische Theologie gearbeitet. Die Maryhill School of Theology hat neben der Ausbildung des Nachwuchses der Scheutisten sich vor allem in der Ausbildung von Laientheologen einen Namen gemacht. Zusammen mit Lode Wostyn CICM hat José de Mesa neue Formen in der Präsentation des theologischen Stoffes und neue Wege zum Theologiestudium entwickelt. 1984 haben beide einen Leitfaden für das Theologiestudium (Doing Theology, Basic Realities and Processes) herausgegeben, in dem sie die Frage zu beantworten suchten, wie man heute auf den Philippinen eine Theologie treiben könnte, die auf die Besonderheiten der philippinischen Kultur, der Volksreligiosität, den sozio-ökonomischen und den politischen Gegebenheiten eingeht.Bei seiner eigenen Tätigkeit als Theologe war es für de Mesa ein besonderes Anliegen, eine eigenständige philippinische inkulturierte Form von Theologie zu entwickeln. Zum Referenzpunkt nahm er dabei die Kultur des Flachlandes auf den Philippinen (Lowland Filippino Context) und als Medium neben dem Englischen die dort vorrangig gesprochene Sprache des Tagalog. Bei der Entwicklung von theologischen Begriffen auf Tagalog hat José de Mesa wichtige Pionierarbeit geleistet. 1991 hat er für diese Bemühungen zur Entwicklung der einheimischen philippinischen Sprachen und einer inkulturierten philippinischen Theologie eine nationale Anerkennung, den Preis »Gawad Ng Pagkilala« des philippinischen Kultusministeriums erhalten. Die Aufgabe der Inkulturation besteht nach José de Mesa darin, zunächst einmal die kulturellen Ressourcen bewusst wahrzunehmen, die in ein Interplay mit den Gegebenheiten der jüdisch-christlichen Tradition gebracht werden müssen. Der Rückgriff auf die kulturellen und religiösen Traditionen führt zu einer Wiederentdeckung und Wiedergewinnung der kulturellen Weisheit und des kulturellen Geistes eines Volkes. Zugleich kommt es in der Begegnung dieser kulturellen Traditionen mit denen der jüdisch-christlichen Tradition zu einer Herausforderung und Korrektur jener Aspekte in der eigenen Kultur, die negativ sind oder ideologisch verformt wurden.
Wichtigste Werke auf Englisch:
Umgekehrt finden sich positive Elemente in der einheimischen Kultur, die zu einer Bereicherung des jüdisch-christlichen Erbes führen kann. Als positives Beispiel für eine Bereicherung christlicher zentraler theologischer Begriffe durch Elemente aus der traditionellen philippinischen Kultur nennt José de Mesa den Begriff des »ginhawa« (Tagalog für »Wohlergehen« resp. »Ganzheit«), der den in der christlichen Verkündigung so zentralen Begriff des »Heils« und der »Erlösung« besser wiedergibt, da er im Verständnis des einfachen Filipino nicht nur das »Heil der Seele« als gottgeschenkte Wohlfahrt, sondern auch immer das irdischeWohlergehen in ganzer Fülle umfasst. Der Titel seines auch ins Deutsche übertragenen zentralen Werks zur Inkulturation im philippinischen Kontext lautet denn auch: »Maginhawa – den Gott des Heils erfahren« (Theologie der Dritten Welt, Bd. 17, Freiburg 1992). In seiner Löwener Doktorarbeit hatte José de Mesa schon gezeigt, wie das christliche Verständnis von Gottes Vorsehung zur Korrektur des in der philippinischen Tradition vorherrschenden Gottesbildes führen kann, nach dem Gott in seinem Wirken nicht nur das Gute sondern auch das unberechenbare Schicksal zu verantworten hat. Die Aussage des Johannesevangeliums (Jh 10,10), dass Gott die Fülle des Lebens für alle Menschen will, kann die weitverbreitete Schicksalsergebenheit bei den einfachen Filipinos, die auch die Absurdität ihrer menschlichen Situation als »von Gott gewollt« (Bahala Na!) ansehen, positiv durchbrechen und sie zu befreiender Aktion animieren. José de Mesa versteht seine Arbeit auf dem Gebiet der Inkulturation daher auch immer im Kontext der Armut und der Ungerechtigkeiten auf den Philippinen, die das Schicksal der Mehrzahl der Filipinos bestimmen – und ist in diesem Sinn auch ein »Befreiungstheologe«.
Ein weiteres großes Anliegen seiner Theologie ist auch immer die Verständlichkeit, die in der theologischen Fachterminologie als Werkzeug der Theologen oft im Dickicht der Begriffe verloren zu gehen scheint. José de Mesa setzt daher zuzüglich zur Sprache – in seinem Fall das Englische und das Tagalog – auch immer Illustrationen mit kleinen Zeichnungen und Karrikaturen ein, um theologische Gedankengänge bildlich zu untermalen und intensiver zu vermitteln.
Ein ganz wesentlicher Punkt für sein theologisches Schaffen ist die Tatsache, dass José de Mesa verheiratet ist und mit seiner Frau und seinen drei Töchtern eine Hauskirche bildet, in der die Ehe als Jüngerschaft verstanden und gelebt wird, wie der Titel seines Buches zu einer Theologie der Ehe »Marriage is Discipleship« (Manila 1995) deutlich macht. Als Laientheologe hat José de Mesa es in der katholischen Kirche auf den Philippinen, in der Bischöfe und Klerus immer noch eine dominierende Rolle spielen, nicht immer leicht gehabt. Mit seinen Beiträgen zum Laienapostolat und theologischen Reflexionen über das Laientum geriet er in Konflikt mit kirchlichen Stellen. Als de Mesa in einer theologischen Diskussion über das Laientum die Äußerung machte, dass Jesus in seiner Zeit gegenüber den Schriftgelehrten auch nichts anderes als »ein Laie« gewesen sei, wurde dies als theologisch abwegig heftig kritisiert. Die an der Diskussion beteiligten Bischöfe hielten dagegen, dass Jesus als der »Hohepriester« des Neuen Bundes und »Sohn Gottes« wesentlich von den »Laien« unterschieden sei. Veröffentlichungen über andere theologische Themen wie die Eucharistie etc. wurden ebenfalls einer Kritik unterzogen. Der Druck der kirchlichen Stellen bewirkte, dass José de Mesa 1990 sein Amt als Dekan der Maryhill School of Theology aufgeben musste. An dem von den Jesuiten geleiteten Ostasiatischen Pastoralinstitut (East Asian Pastoral Institute = EAPI) fand er eine neue Wirkungsstätte, wo er bis 2000 als theologischer Lehrer tätig war. Die Kurse des EAPI werden seit Jahren von Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus vielen asiatischen Ländern besucht, die unterstützt von theologischen Lehrern aus verschiedenen asiatischen Ländern neue Wege in der Pastoraltheologie und der Verkündigung für die asiatischen Ortskirchen zu entwickeln und auszubauen suchen. José de Mesa hat die Gegebenheiten dieser internationalen und interkulturellen Vielfalt dazu benutzt, neue Formen z. B. christologischer Reflexion zu entwickeln, die von den gelebten Erfahrungen und der Verschiedenheit von Jesusvorstellungen in den verschiedenen Ortskirchen Asiens ausgingen. Am EAPI war José de Mesa auch 1994–1997 Herausgeber der institutseigenen Zeitschrift East Asian Pastoral Review. Im Jahr 2000 wechselte José de Mesa noch einmal seine akademische Position und wurde Professor an der De La Salle-Universität in Manila. Zusammen mit einigen anderen Theologieprofessoren ist er der Mitbegründer einer neuen theologischen Zeitschrift, die in Tagalog Daán (=Weg) heißen soll und sich als eine Zeitschrift für »angewandte Theologie« – so der Untertitel – versteht, die aufbauend auf der jüdisch-christlichen Tradition im Dialog mit der Erfahrung durch kontextuelle und inkulturierte Ansätze eine neue Form interdisziplinärer Theologie entwickeln möchte. Neben seiner Tätigkeit als theologischer Lehrer auf den Philippinen hat José de Mesa in mehreren asiatischen, europäischen und nordamerikanischen Ländern als Gastprofessor gearbeitet und an einer Vielzahl internationaler theologischer Konferenzen teilgenommen.
GEORG EVERS
Missionswissenschaftler