Bonnie Mendes

Bonnie Mendes wurde 1936 in Karachi im zu dieser Zeit noch geeinten Britisch-Indien geboren. Seine Grundschulausbildung hatte er an der katholischen Schule St. Patrick in Karachi erhalten, in der Christen, Juden, Hindus und Muslime gemeinsam lernten. In der Zeit vor der Teilung des Subkontinents in Indien und Pakistan war das Verhältnis zwischen den Angehörigen der verschiedenen Religionen noch harmonisch und im wesentlichen ungetrübt. Nach der Teilung im Jahr 1947 und der Gründung des neuen Staates Pakistan als »Heimstatt für die Muslime« verschlechterten sich in den folgenden Jahren die Beziehungen zwischen den Religionsgemeinschaften immer mehr. Bonnie Mendes gehört zur Gruppe der ursprünglich aus Goa nach Pakistan eingewanderten Katholiken, die in der pakistanischen Kirche lange Zeit die führende Schicht darstellten.

Nach seiner Priesterweihe im Jahr 1962 war er fünf Jahre in Karachi in der Gemeindearbeit tätig und wurde dann als »Leiharbeiter« in den Punjab geschickt, wo er zunächst Pfarrer in Gojra wurde. 1971 übernahm er die Pfarre Chak 424 im J.B. Toba Tek Singh Distrikt. Neben der seelsorglichen Tätigkeit engagierte er sich in der Entwicklungsarbeit, zum Beispiel im wörtlichen Sinn als »Straßenbauer«, indem er in der unterentwickelten Gegend, in der es noch keine Stromversorgung gab und auch andere Versorgungseinrichtungen nicht oder nur unzureichend vorhanden waren, den Bau einer Straße vom Dorf zur Hauptstraße organisierte. In diese Zeit fällt auch die Gründung der »Gesellschaft für Menschliche Entwicklung« (Society for Human Development), die durch ihre Ausbildungsprogramme bis heute eine große Bedeutung für die gesamte Region des Punjab und darüber hinaus hat. Zugleich war Bonnie Mendes auf dem Gebiet des Jugendapostolats tätig, indem er Gruppen von Jungen und Mädchen gründete. Wegen seines sozialen Engagements wurde er von 1968 –1978 zum Direktor der Caritas in der Erzdiözese Faisalabad bestellt.

Von 1986–1996 war Bonnie Mendes der Generalsekretär der nationalen Kommission für Gerechtigkeit und Frieden der katholischen Bischofskonferenz von Pakistan und hat in dieser Zeit eng mit dem damaligen Präsidenten der Kommission, Bischof John Joseph von Faisalabad, zusammengearbeitet. Die Kommission für Gerechtigkeit und Frieden stand an vorderster Front im Kampf um die Abschaffung der Anti-Blasphemiegesetze und in der Bewegung gegen das Vorhaben der Regierung, die Religionszugehörigkeit im nationalen Personalausweis eintragen zu lassen. Der Tod von Bischof John Joseph, der sich am 6. Mai 1998 das Leben nahm, sowie die seinen Tod begleitenden Umstände und die Reaktionen innerhalb der pakistanischen Kirche und bei den Bischöfen, die sehr kritisch waren, haben ihn persönlich belastet und getroffen. Bischof John Joseph war in der katholischen Kirche Pakistans eine umstrittene Persönlichkeit. Viele kritisierten seinen Lebensstil und seinen oft ungestümen Einsatz im Kampf für die Menschenrechte und für die Abschaffung der Blasphemiegesetze, den er mit vielen öffentlichen Aktionen und großem persönlichen Einsatz führte. Die Art und die Umstände seines Todes wurden von der Mehrzahl der Bischöfe und dem päpstlichen Nuntius als belastend und beschämend angesehen, während die Mehrzahl der Katholiken in ihm einen Märtyrer für die Menschenrechte sah. Bonnie Mendes hat trotz dieser Kritik an seiner Wertschätzung der Person und des Beitrags von Bischof John Joseph für die Kirche Pakistans und auf dem Gebiet des Eintretens für Gerechtigkeit festgehalten und dies in einer Würdigung so ausgedrückt: »Für mich ist es unmöglich, an Bischof John Joseph zu denken und nicht seine Größe vor Augen zu haben. Denn selbst seine Gegner müssen einräumen, dass er eine außergewöhnliche Persönlichkeit war.… Ich werde Bischof John Joseph mein Leben lang nicht vergessen und er ist für mich ein Ansporn, die Gute Botschaft, für die er Zeugnis gab, weiter zu verbreiten.« (in: A Peaceful Struggle, A Collection of Bischop John Joseph’s Writings, Khalid Rashi Asi (ed.), Faisalabad 1999, S. 9 und S. 13).

Stark geprägt wurde Bonnie Mendes durch seine Tätigkeit als Sekretär des »Büros für Menschliche Entwicklung « (Office for Human Development) der »Vereinigung Asiatischer Bischofskonferenzen« (FABC) in Manila, die er von 1979 –1983 ausübte. Während dieser Zeit hatte er Gelegenheit, sich mit den sozialen, politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen auf gesamtasiatischer Ebene vertraut zu machen. Beeindruckt haben ihn die damals für das Sozialapostolat in der FABC verantwortlichen Bischöfe, wie Kardinal Stephen Kim von Seoul, Bischof Julio Labayen von der Prälatur Infanta, Bischof Francisco Claver von Bontoc und Bischof Bunluen Mansap von Thailand. Die Seminare auf dem Gebiet des Sozialapostolats für die Bischöfe der FABC, die in diese Zeit fallen, haben wichtige Impulse für die Umsetzung der katholischen Soziallehre in den verschiedenen Mitgliedskirchen der FABC gegeben. Bonnie Mendes war aber nicht nur der Organisator der verschiedenen Aktivitäten des Office for Human Development, sondern hat sich kritisch mit der »Vision, der Mission und den Zielen« (Vision-Mission-Goal) des Beitrags der FABC auf dem Gebiet der christlichen Sozialarbeit für die asiatischen Länder auseinandergesetzt. Dies tat er mit der Studie »Eine systematische Diagnose der Arbeit des Büros für Menschliche Entwicklung « (A Systemic Diagnosis of the Office for Human Development), die er am Southeast Asia Interdisciplinary Development Institute in Manila 1983 für die Erlangung des Doktorgrads in Philosophie vorlegte. Erst Jahrzehnte später wurde diese Arbeit unter dem Titel »Eine Kirche der Armen sein. Ein Beispiel ganzmenschlicher Entwicklung« (Being Church of the Poor. A Human Development Paradigm«, Lahore 2011) veröffentlicht. Die Arbeit ist auch heute noch wichtig, weil sie zeigt, dass Bonnie Mendes, der für sich selber in Abrede stellt, ein »Experte« oder »Wissenschaftler« zu sein, eben nicht nur ein »Aktivist« war, sondern durchaus kritisch die eigene Arbeit und die der Organisation, der er diente, in Frage stellte und dadurch wegweisend auch für seine Nachfolger im Amt gewesen ist. Rückblickend stellt er fest: »In den 1970er Jahren wurde man, wenn man von der ›Kirche der Armen‹ sprach, als Kommunist gebrandmarkt. Heute ist es eine allgemein akzeptierte Terminologie, aber die Gefahr ist, dass wir in unserem alten Lebensstil, im alten Denken und Handeln verharren, während wir von der Kirche der Armen sprechen. Aber ›Kirche der Armen‹ zu sein, ist mehr als nur einen einfachen Lebensstil pflegen, es ist eine ideologische Option, die wir zu treffen haben. Es bedeutet, dass wir uns der Macht entledigen und die Macht den Armen übergeben, so dass sie alle Entscheidungen, die ihr Leben betreffen, selber treffen können. Es beinhaltet eine Änderung der Einstellung unserer Institutionen und ihres Personals, die für die Armen geöffnet werden müssen, damit sie sich ihrer bemächtigen können.« (Being Church of the Poor, XXIXf.). In der Zusammenfassung der Ergebnisse seiner kritischen Bewertung des sozialen Engagements der asiatischen Kirchen beschreibt Bonnie Mendes die Auswirkungen, welche die Option für die Armen bewirkt hat: als Wandel von der Aufspaltung zwischen Körper und Geist zu einer einheitlichen Sicht, als Ausbruch aus dem Ghetto zu einer offenen Kirche, als Abrücken vom Begriff der Caritas zum Konzept einer ganzmenschlichen Entwicklung, als Wandel vom Sozialdienst zur Bewusstseinsänderung und kollektiver Aktion und als Einsatz für christliche Werte im Kampf für Gerechtigkeit besonders durch Gewaltlosigkeit. (Being Church of the Poor, 115).

Von 2008–2011 war Bonnie Mendes regionaler Koordinator für die Caritas Asia in Bangkok in Thailand. Während dieser Zeit hat er viel dafür getan, die organisatorischen Mängel abzustellen und eine bessere Koordination der Arbeit der verschiedenen nationalen Caritas-Organisationen zu erreichen. Besonderes Gewicht hat er darauf gelegt, dass nicht nur die vergleichsweise reichen Ortskirchen wie Japan, Korea, Singapur, Taiwan und Hongkong, sondern auch die finanziell schwächeren sich mit eigenen Leistungen an der Arbeit der asiatischen Caritas beteiligten. So hat zum Beispiel die indische Caritas der kleinen Ortskirche in der Mongolei beim Aufbau der Landwirtschaft in diesem trockenen Land geholfen, während die Caritas Bangladesch ihr Modell der Finanzierung von Kleinbetrieben einbrachte. Auch auf dem Gebiet der Ausbildung neuer Mitarbeiter hat Bonnie Mendes während seiner Dienstzeit in Bangkok neue Akzente gesetzt. In seinem Abschiedsbericht forderte er die Bischöfe der FABC und das Büros für menschliche Entwicklung in Manila auf, den Weiterbestand und Ausbau der Caritas zu einem vorrangigen Projekt zu machen.

Im Oktober 2012 hat Bonnie Mendes in Manila bei der »Cardijn Perspective Conference«, die aus Anlass des 50. Jahrestages des Beginns des 2. Vatikanischen Konzils stattfand, eine Ansprache über die »Rolle der Laien im Sozialapostolat« gehalten, in der er die Bedeutung des Konzils für das Sozialapostolat innerhalb der FABC herausstellte. In seinem Beitrag betonte er, dass zwar auf dem Konzil selber die Belange der asiatischen Kirchen nur wenig angesprochen wurden, dass aber die Impulse des Konzils, vor allem durch die Gründung der FABC im Jahr 1970, aufgegriffen und umgesetzt wurden. Das geschah vor allem auf dem Gebiet des sozialen Apostolats durch eine Reihe von Seminaren zum sozialen Apostolat für Bischöfe (BISA), die sich für eine Kirche der Armen einsetzten. Bonnie Mendes schloss: »Angesichts von Zerstörung, Zwangsarbeit und Ausbeutung hat Gott immer vorrangig für die Armen, die Unterdrückten und Ausgebeuteten und an den Rand Gedrängten optiert. Er hat sie aus der Knechtschaft befreit durch Machttaten und durch den Kampf des Volkes. Der Kirche wurde dieselbe Mission anvertraut, Hoffnung, Frieden, Gerechtigkeit, Freiheit und Gleichheit den Menschen zu bringen, die täglich großen Schwierigkeiten ausgesetzt sind. Als Sauerteig lädt die Kirche alle Menschen guten Willens ein, gemeinsam sich in den Kämpfen für eine bessere Zukunft der Massen einzusetzen. Die Laien sind stets bereit, sich in den Dienst der Gesellschaft und der Kirche zu stellen, vorausgesetzt, wir, die Kleriker und Ordensleute, geben ihnen die Möglichkeit, die ihnen zustehende Rolle wahrzunehmen. Dafür sollten wir sie in der Methode des »Sehens-Urteilens und Handelns, die Joseph Cardijn uns gelehrt hat, ausbilden. Seine Methode ist nicht nur auf Europa eingeschränkt geblieben, sondern wurde überall in Asien erfolgreich angewandt.«

Die langjährige Arbeit von Bonnie Mendes in der Sozial- und Friedensarbeit wurde bei seinem Goldenen Priesterjubiläum im Januar 2012 in Faisalabad gewürdigt. Der Ortsbischof Joseph Coutts nannte ihn einen Priester, der immer in Übereinstimmung mit den Weisungen der Bibel, wie Johannes der Täufer, »Licht, Salz und Hefe« im Dienst an der Menschheit gewesen sei. Bonnie Mendes selber sagte im Rückblick auf sein Leben: »Die Mission meines Lebens war es, so viel wie möglich für das Heil der unterprivilegierten und an den Rand gedrängten Gruppen in der Gesellschaft wie der Frauen, der Kinder, der unterbezahlten Arbeiter und der religiösen Minderheiten zu arbeiten.« Auch international fanden die Anstrengungen und Leistungen von Bonnie Mendes auf dem Gebiet des Sozialapostolats und des Einsatzes für Frieden und Harmonie in der Gesellschaft durch die Verleihung des »Acha Star Peace Award« Anerkennung, der ihm, »dem unbesungenen Helden«, wie es in der Verleihungsurkunde hieß, 2005 in Portland in den USA von der »Association for Communal Harmony« überreicht wurde. Auch in Rom wird seine Kompetenz auf dem Gebiet des Sozialapostolats und der Friedensarbeit anerkannt, wie seine Aufnahme als Mitglied im Päpstlichen Rat für Gerechtigkeit und Frieden des Vatikan beweist, die 2012 erfolgte.

Bonnie Mendes lebt in Pakistan, in einem Land, in dem im Gefolge des Afghanistankrieges islamistische Gruppen wie die Taliban an Einfluss gewinnen und die religiösen Minderheiten bedrängen. In Antwort auf die Gewalt gegen Christen, wie der kurz vor Ostern 2013 erfolgte Angriff gegen das christliche Dorf »Joseph Colony«, bei dem 178 Häuser niedergebrannt wurden, hat Bonnie Mendes in einem Interview deutlich gemacht, dass diese Angriffe die Christen in Pakistan nicht abhalten würden, Ostern zu feiern. Trotz der tragischen Gewalt seien die Christen voller Optimismus, dass sie ihre Häuser mit Unterstützung der Regierung und der Caritas wieder aufbauen werden. Diese Haltung hat er auch in einem Bericht über die Situation von Christen in Pakistan (vgl. Forum Weltkirche, 6/2011, S. 17–22) zum Ausdruck gebracht, als er festhielt, dass Verzagtheit die falsche Wahl für die Christen in Pakistan wäre. Dabei mahnte er an, dass positives Denken notwendig sei, da der Mangel an Hoffnung angesichts der Bedrängung durch die islamistischen Gruppen das größte Problem für die pakistanischen Christen darstelle. Der Fall von Asia Bibi, die wegen eines angeblichen Verstoßes gegen das Anti-Blasphemiegesetz von der Todesstrafe bedroht und erst auf internationale Interventionen hin freigelassen wurde und die Ermordung des Ministers für Minderheitenfragen, Shahbaz Bhatti, im März 2011 sind eine ernste Bedrohung der Hoffnung auf ein friedliches Zusammenleben zwischen Christen, anderen religiösen Minderheiten und der muslimischen Mehrheit in Pakistan. Aber Bonnie Mendes ist überzeugt, dass gesellschaftliche Harmonie und Frieden nur durch eine konsequente Haltung des Dialogs mit allen religiösen und gesellschaftlichen Gruppen möglich ist.

GEORG EVERS
Missionswissenschaftler