von Wolfgang Schonecke
2005 schien das Abkommen von Arusha dem ostafrikanischen Burundi den Weg in eine friedliche Zukunft zu ebnen. Zehn Jahre später ist dieser Weg zu Ende, als erneut ein Bürgerkrieg ausbricht. Ob es gelingt, die Gewalt zu stoppen, ist derzeit völlig ungewiss.
P. Wolfgang Schonecke
Netzwerk Afrika Deutschland (NAD)
Der wesentliche Vorzug einer parlamentarischen Demokratie ist es, durch freie Wahlen und ohne Gewaltanwendung einen friedlichen Machtwechsel zu ermöglichen. In vielen Ländern Afrikas sind Wahlen jedoch ein Albtraum für die Bevölkerung geworden. Zu mächtig ist noch die traditionelle Vorstellung, dass Autorität letztlich unteilbar und lebenslänglich ist, dass Parlamente bestenfalls eine beratende Funktion haben und politische Opposition grundsätzlich als ein staatsgefährdender Störfaktor zu behandeln ist. Dies gilt besonders für Präsidenten, die durch einen Befreiungskrieg an die Macht kamen und glauben, als »Vater der Nation« lebenslange Herrschaft beanspruchen zu können. Ihr militärisches Denken in Freund-Feind-Kategorien erschwert das Verständnis für eine demokratische Ordnung, die von Interessenausgleich und Kompromissbereitschaft lebt. Das traditionelle Machtverständnis demonstriert leider auch eine ganze Generation afrikanischer Präsidenten, die im Zuge der Demokratisierungsbewegung der 1990er Jahre gewählt wurden und damals als Hoffnungsträger galten, sich aber nicht mehr von ihrem Posten verabschieden wollen und durch Betrug und Bestechung, Verfassungsänderungen und Unterdrückung der Opposition jahrzehntelang an der Macht halten. Burundi ist das jüngste Beispiel einer solchen gescheiterten Demokratisierung.
Präsident Pierre Nkurunziza, Anführer der Hutu-Rebellenbewegung CNDD-FDD (Conseil national pour la défense de la démocratie – Forces de défense de la démocratie), kam am Ende eines langen und blutigen Bürgerkriegs zwischen den Volksgruppen der Tutsi und Hutu durch die Wahlen im Jahr 2005 an die Macht. Vorausgegangen waren jahrelange Friedensverhandlungen, die schließlich zum Friedens- und Versöhnungsabkommen von Arusha und zu einer neuen, durch eine Volksabstimmung legitimierten Verfassung führten. Eine faire und anfangs relativ gut funktionierende Machtteilung zwischen den beiden Konfliktparteien schien dem kleinen überbevölkerten und wirtschaftlich unterentwickelten Land zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit die Chance für eine friedliche Entwicklung zu eröffnen.
Aber schon bei den Wahlen 2010 kam es zu Differenzen zwischen der Regierungspartei CNDD-FDD und der Opposition, die die Wahl boykottierte. International wurden die Wahlen anerkannt und es kam nur zu geringen Unregelmäßigkeiten. 2014 begann Nkurunziza, die Vorgaben der neuen Verfassung, die die Zahl der Amtszeiten für den Präsidenten auf zwei Mandate begrenzt, mit allen Mittel auszuhebeln. Der Plan, durch eine Verfassungsänderung eine dritte Amtszeit möglich zu machen, scheiterte an der nötigen Zweidrittelmehrheit im Parlament. Das Verfassungsgericht erklärte kurz vor den Präsidentschaftswahlen im Juni 2015 eine weitere Kandidatur als legitim mit dem juristisch höchst zweifelhaften Argument, die erste Amtsperiode als Präsident zähle nicht, da er damals vom Parlament und nicht vom Volk gewählt worden sei. Es folgten Wochen und Monate massiver Demonstrationen vor allem in der Hauptstadt Bujumbura, die immer brutaler niedergeschlagen wurden. Oppositionspolitiker wurden verhaftet und gefoltert. Die Zivilgesellschaft und vor allem die katholische Bischofskonferenz sprachen sich gegen ein drittes Mandat aus, da es einen Bruch des Arusha-Friedensabkommens bedeute. In der Folge zerstörten die Anhänger Nkurunzizas die unabhängigen Radiostationen und machten so eine unabhängige Berichterstattung unmöglich. Teile des Militärs versuchten erfolglos, Nkurunzizas Wiederwahl durch einen Militärputsch zu verhindern. Trotz des enormen Drucks im In- und Ausland wurden die Wahlen ohne die wichtigsten Oppositionsparteien schließlich am 21. Juli abgehalten, die Nkurunziza nach offiziellen Angaben mit 69 Prozent der Stimmen gewann. Es folgte eine Welle der Repression. Viele Burundier flohen in die Nachbarländer. Die internationale Gemeinschaft reagierte kritisch. Deutschland, Belgien und die Niederlande setzten ihre Entwicklungshilfe zeitweise aus. Dieser klassische Rückfall einer gewählten Regierung in ein Regime, das sich durch Missachtung der Verfassung und den skrupellosen Missbrauch von Staatsgewalt an der Macht zu halten sucht, ist äußerst tragisch für Burundi. Gleichzeitig kann man das Engagement und die Ausdauer der Opposition und der Zivilgesellschaft, die sich über Monate nicht einschüchtern ließ, als ein Zeichen deuten, dass die demokratischen Kräfte mutiger und stärker werden.
Die Verfassungen der meisten Staaten in Afrika sehen eine Trennung von Staat und Kirche, Politik und Religion vor. Dennoch suchen afrikanische Politiker oft die Nähe zu religiösen Institutionen, um sich in den Augen der Bevölkerung eine gewisse moralische Legitimierung zu verschaffen. Pierre Nkurunziza stützt sich dabei nicht mehr auf die katholische Kirche, sondern auf die Frei- und Pfingstkirchen.
Während der Kolonialzeit gab es, vor allem in belgischen Gebieten, eine enge Zusammenarbeit zwischen Kolonialverwaltung und katholischer Kirche, die das Bildungs- und Gesundheitswesen organisierte. Diese enge Verbindung zwischen Thron und Altar war immer problematisch und erwies sich auch nach der Unabhängigkeit als Quelle vieler politischer Spannungen. In den letzten Jahren hat sich jedoch die religiöse Situation in fast allen Ländern Afrikas geändert. Infolge des Zweiten Vatikanischen Konzils und der Konstitution Gaudium et spes ist die katholische Kirche in Afrika immer mehr zu einer kritischen Stimme geworden, die in vielfältiger Weise Demokratisierungsprozesse unterstützt und von den Regierenden die Einhaltung der Menschenrechte einfordert. Gleichzeitig haben sich Pfingstkirchen und Freikirchen, oft mit finanzieller Unterstützung aus dem Ausland, überall ausgebreitet und vor allem junge Menschen angezogen. Sie sind auch attraktiv für die politische Klasse, da sie in der Regel jede wie auch immer etablierte politische Autorität mit Berufung auf den Römerbrief – »Es gibt keine staatliche Gewalt, die nicht von Gott stammt« (Röm 13,1) – als von Gott gegeben akzeptieren. Pierre Nkurunziza bezeichnet sich als »wiedergeborener Christ« und verkündet, er habe direkt von Gott eine göttliche Mission erhalten, das Volk zu regieren, und seine Gegner seien eine Inkarnation Satans. Diese Art eines »politischen Messianismus« würde in einer säkularen Gesellschaft nur ein müdes Lächeln hervorrufen, hat aber in Afrika, wo die große Mehrzahl der Menschen tief religiös ist, politische Bedeutung.
Diese Verlagerung in den Beziehungen von Religion und Politik ist in Burundi sehr deutlich. Während die Freikirchen einen immer größeren Einfluss auf die Regierung gewinnen und von ihr hofiert werden, wachsen die Spannungen zwischen katholischer Kirche und Regierung. Eine latente oder auch offene Kirchenverfolgung, wie es sie schon in den 1970er Jahren gab, ist nicht ausgeschlossen
Fläche: 27.834 km²
Bevölkerung: 10.483.000
Zum Vergleich: Baden-Württemberg Fläche: 35.751 km²
Bevölkerung: 10.716.644
Human Development Index 2013: Rang 180 von 187 Ländern
Ethnische Gruppen: Hutu 85 %, Tutsi 14 %, Twa 1 %
Amtssprachen: Kirundi, Französisch
Religionen (Schätzung 2008): Katholiken 62,1 %, Protestanten 23,9 %, Muslime 2,5 %, Andere 11,5 %
Quelle: The World Factbook 2015, United Nations Development Programme
Das kleine Bergland Burundi war, wie sein Nachbar Ruanda, jahrhundertelang ein hierarchisch geordnetes Königreich, in dem drei Volksgruppen relativ friedlich zusammenlebten: die Urbevölkerung der Pygmäen (Batwa), die bäuerliche Bantu-Bevölkerung der Hutu und die später eingewanderten Viehzüchter der Tutsi, die die herrschende Klasse bildeten. »Urundi« wurde seit dem Ende des 19. Jahrhunderts von Deutschen kolonisiert und kam in der Folge des Ersten Weltkriegs unter belgische Verwaltung.
Die Euphorie über die Unabhängigkeit Burundis 1962 wurde schon bald vom Mord am Prinzen Louis Rwagasore überschattet, der als Führer der Partei UPRONA (Union pour le Progrès National) alle Volksgruppen in seine politische Bewegung mit einbeziehen wollte. Für den jungen Staat war sein Tod der Auftakt einer Kette von Militärputschen, tödlichen Machtkämpfen und Massenmorden: Als Erstes wurde der König (Mwami), der als ein Garant der nationalen Einheit galt, abgesetzt. 1966 brachte ein erster Militärputsch Michel Micombero an die Macht. Angriffe von Hutu-Rebellen wurden 1972 mit der selektiven und systematischen Ermordung der Hutu-Eliten beantwortet. Von vielen Experten als erster Völkermord in der Region bezeichnet, fielen dem Blutbad mehr als 100.000 Menschen zum Opfer, unter ihnen 19 katholische Priester. Ein weiterer Staatsstreich brachte 1976 Oberst Jean-Baptiste Bagaza an die Macht. Das Quasi- Monopol der katholischen Kirche im Bildungs- und Gesundheitswesen war schon den Militärregierungen nach der Unabhängigkeit ein Dorn im Auge. Die pastorale Neuorganisation der Riesenpfarreien in »Kleinen Christlichen Gemeinschaften« geriet bald in Konkurrenz zur parteipolitischen Mobilisierung der Regierung. Bagaza, der antiklerikalen Kreisen in Belgien nahestand, organisierte einen Kulturkampf gegen die Kirche. Ein Großteil der ausländischen Missionare wurde des Landes verwiesen. Burundische Priester wurden verhaftet, kirchliche Aktivitäten auf das Wochenende beschränkt und Kirchen geschlossen.
1987 beendete ein weiterer Putsch durch Pierre Buyoya die Verfolgung. Er brachte einen kurzlebigen Demokratisierungsprozess in Gang, der mit der Ermordung des ersten frei gewählten Präsidenten, Melchior Ndadaye, im Oktober 1993 durch das von Tutsi dominierte Militär endete. Die Tragödie entfesselte eine Gewaltreaktion der Hutu und diese wiederum eine blutige Repression seitens der Tutsi-Armee mit mehr als 100.000 Opfern. 800.000 Menschen flüchteten in die Nachbarländer und begannen von dort aus, den bewaffneten Widerstand zu organisieren.
Im Chaos des 15-jährigen Bürgerkriegs war niemand seines Lebens sicher. Opfer des Konfliktes wurden einfache Christen, Priester, aber auch hohe Repräsentanten der Kirche wie der Apostolische Nuntius Mgr. Michael Courtney und der Erzbischof von Gitega Mgr. Joachim Ruhuna, der sich unermüdlich für eine Aussöhnung der Konfliktparteien eingesetzt hatte. Nach jahrelangen Verhandlungen gelang es 2005, einen Friedensvertrag und eine faire Machtverteilung zwischen den verfeindeten Volksgruppen auszuhandeln. Die demokratischen Wahlen von 2005 brachten den Anführer der Hutu-Organisation CNDD-FDD, Pierre Nkurunziza, an die Macht.
Zunächst noch ein Blick zurück in die Kirchengeschichte. Burundi wurde Ende des 19. Jahrhunderts vom deutschen Kolonialgebiet Deutsch-Ostafrika, dem heutigen Tansania, aus evangelisiert. Der Anfang der Mission war mühsam. Die herrschenden Tutsi trauten den Missionaren nicht und behinderten ihre Aktivitäten. Im Gegensatz zur deutschen förderte die belgische Kolonialverwaltung die freie Betätigung der Mission im ganzen Land. Von Anfang an engagierten sich die Missionare nicht nur in der Verkündigung des Evangeliums, sondern förderten die Schulbildung, die Gesundheitsversorgung und auch die landwirtschaftliche Entwicklung in einem Land, das periodisch von Hungersnöten heimgesucht wurde. Es dauerte nicht lange, bis die einheimischen Eliten den Wert westlicher Erziehung erkannten und ihre Kinder zur Schule schickten, die ein wichtiges Instrument der Evangelisierung wurde. Angezogen von den sozialen Diensten der Kirche wandten sich immer mehr Burundier dem Christentum zu. In der 1930er Jahren gab es eine Welle von Massenbekehrungen. Missionszeitschriften in Europa sprachen von einem »Pfingststurm in Afrika«. Die Übergabe von Pfarreien und Diözesen an den einheimischen Klerus und die Errichtung der einheimischen Hierarchie, besonders zur Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils, gaben der Evangelisierung noch einmal neuen Schwung. Heute sind etwa zwei Drittel der zehn Millionen Burundier katholisch.
Der Beitrag der katholischen Kirche zur Entwicklung des Landes ist unumstritten. Aber die größere Herausforderung für die Kirche waren und sind die stetigen Spannungen und Machtkämpfe zwischen den Volksgruppen der Tutsi und der Hutu, Spannungen, die auch im Klerus, unter den Ordensleuten und in den Pfarrgemeinden zu spüren waren. Während im Nachbarland Ruanda diese Spannungen kaum offen thematisiert wurden, gab es in Burundi zeitweise öffentliche Debatten, in denen um eine Annäherung zwischen Hutu und Tutsi, die ihre gemeinsame Geschichte sehr unterschiedlich interpretieren und ihre jeweiligen Interessen anders definieren, gerungen wurde. Leider machten die Gewaltwellen einer ethnischen Ideologie solche Bemühungen immer wieder zunichte.
Wie in ganz Subsahara- Afrika hat die katholische Kirche auch in Burundi seit den 1990er Jahren einen wesentlichen Beitrag zum gesellschaftlichen Ausgleich und zur Demokratisierung des Landes geleistet, und dies in zweierlei Hinsicht. In allen kritischen Situationen in der Geschichte des Landes haben die Bischöfe sich immer wieder in Hirtenbriefen unter Berufung auf die katholische Soziallehre für gerechte und friedliche Lösungen der Probleme eingesetzt – meist ohne sichtbaren Erfolg.
Der noch wichtigere Beitrag der Kirche war die pastorale Entscheidung, die Mammutpfarreien, die oft zehntausende Katholiken zählen, in Kleine Christliche Gemeinschaften aufzuteilen. In diesen Basisgemeinschaften, die auf jedem Hügel existieren, tauschen sich regelmäßig Männer und Frauen über biblische Texte und deren Bedeutung für ihr Leben und die Gesellschaft aus. So werden demokratische Haltungen und Prozeduren gelernt und gelebt, und Menschen mit oft nur rudimentärer Schulbildung erwerben Führungsqualitäten: organisatorische Kompetenz, die Fähigkeit, Probleme zu analysieren, und Offenheit für einen respektvollen Dialog. Das ist ungeheuer wichtig, denn eine funktionierende Demokratie setzt ein Minimum an demokratischer Kultur und eine starke Zivilgesellschaft voraus.
In Gesellschaften, die wie in Burundi Jahrzehnte von Bürgerkrieg, Völkermord und ethnischer Gewalt durchlebt haben, ist es eine der wichtigsten Aufgaben der Kirche, ein Ort der Versöhnung zu sein. Das ist eine enorme Herausforderung, da ja die Kirche selbst auf allen Ebenen – Bischofskonferenz und Klerus, Ordensgemeinschaften und christliche Dorfgemeinschaften – nicht immun ist gegen die ethnischen und sozialen Verwerfungen. Trotz aller inneren Zerrissenheit hat die katholische Kirche sowohl durch pastorale Programme als auch durch mutige Initiativen Einzelner für die nationale Versöhnung viel geleistet. Ein Beispiel ist das Centre Ubuntu des Dominikaners Frère Emmanuel Ntakirutimana. Seine Friedens- und Versöhnungsarbeit baut auf der Rückkehr zu fundamentalen Werten der traditionellen afrikanischen Kultur auf, nutzt aber auch moderne Techniken des Konfliktmanagements.
Der aktuelle Konflikt um eine dritte Amtszeit des Präsidenten stellte das Engagement der Kirche für Demokratie auf eine harte Probe. Schon im Vorfeld der Wahlen hatten sich die katholischen Bischöfe klar positioniert. Im März 2015 stellten sie in einer gemeinsamen Erklärung fest, dass »die Burundier sich zweifellos einig sind, dass jede Person, die gewählt wird, um Burundi zu regieren, nicht über zwei Amtszeiten von je fünf Jahren hinausgehen kann«. Dies wäre eine Verletzung des Friedensabkommens von Arusha und widerspräche der Verfassung. Sie riefen gleichzeitig zu einer neuntägigen Gebetsnovene auf, um für einen friedlichen Machtwechsel und transparente Wahlen zu beten. Am 12. Mai forderten die Bischöfe eine Verschiebung des Wahltermins, befahlen allen Priestern, die in fünf der 17 Provinzwahlbezirke den Vorsitz der Wahlkommission innehatten, zurückzutreten, und stoppten die Vorbereitung von 6.000 kirchlichen Wahlbeobachtern. Als Bedingung für eine Kooperation forderten sie, die Sicherheit wiederherzustellen und die Pressefreiheit zu gewährleisten. »Die Kirche kann keinen Wahlprozess unterstützen oder begleiten, der keine allgemeine Zustimmung findet und dessen Ergebnisse die Bürger eher spalten als versöhnen werden.«
Diese kritische und klare Position sollte die Kirche teuer zu stehen kommen. Zehn Tage später konnte ein Mordanschlag auf den Erzbischof von Bujumbura, Mgr. Evariste Ngoyagoye, nur knapp vereitelt werden. Unterstützer des Präsidenten begannen, Bischöfe und Priester zu bedrohen; die Geheimpolizei überwachte die Sonntagspredigten in den Kirchen. Wie alle Regimekritiker und Menschenrechtler fühlt sich auch die Kirche seit der Machtübernahme bedroht und lebt in Angst. Es vergeht kaum eine Nacht, in der in Bujumbura Todesschwadronen keine Menschen umbringen.
Die Zukunft Burundis ist nach den erzwungenen und umstrittenen Wahlen höchst prekär. Viele Partnerländer, unter ihnen auch Deutschland, haben die bilaterale Entwicklungshilfe suspendiert. Das ist existenzbedrohend, da Burundi für mehr als die Hälfte seines Haushalts auf auswärtige Hilfe angewiesen ist.
Es ist tragisch, dass die Regierung von neuem die alte ethnische Feinschaft zwischen Hutus und Tutsis anheizt, die fast überwunden schien, da die Opposition sich aus allen Volksgruppen zusammensetzte. Sollte die wachsende politische Gewalt sich gegen die Tutsi richten, dürfte Ruanda einem neuen Völkermord nicht tatenlos zusehen. Schon jetzt organisieren sich, wahrscheinlich mit der Unterstützung Ruandas, bewaffnete Milizen. Die zum großen Teil ins Ausland geflohene politische Opposition könnte versucht sein, von dort aus einen neuen Bürgerkrieg zu organisieren.
Da die katholische Kirche sich vehement gegen eine dritte Amtszeit ausgesprochen hat, wird sie von der Regierung als staatsfeindlich eingestuft und entsprechend behandelt. Weiterhin herrscht ein Klima der Einschüchterung. In einem Hirtenbrief nach den Wahlen haben die Bischöfe sich zwar nicht direkt zu den umstrittenen Wahlen und zur Legitimität der neuen Regierung geäußert, aber die wachsende Gewalt verurteilt, vor der Gefahr eines Krieges gewarnt und zum Dialog aller Konfliktparteien und Interessengruppen aufgerufen.
Die Jahrzehnte seit der Unabhängigkeit waren eine Leidenszeit für das burundische Volk, gekennzeichnet von Exil, Militärdiktaturen, Massakern und blutigen Bürgerkriegen. Die Gewalttätigkeiten um die Wahlen 2015 sind eine weitere Station auf diesem Kreuzweg. Ein Ende des Leidens und eine Wende zum Besseren sind bisher nicht in Sicht.