Vatikan

Erstmals Anti-Missbrauchsgipfel in Rom

Opferorganisationen fordern Reformen

Heft 3/2019 I Ende Februar hat Papst Franziskus die Bischöfe der Weltkirche erstmals zu einem Anti-Missbrauchsgipfel in den Vatikan eingeladen. An dem Treffen vom 21. bis 24. Februar haben die Vorsitzenden aller Bischofskonferenzen, Vertreter der unierten Ostkirchen, 22 männliche und weibliche Ordensobere sowie Behördenleiter und Experten aus dem Vatikan teilgenommen. Fünf ausgewählte Missbrauchsopfer berichteten per Videoaufzeichnungen über ihre Leiden und ihre Forderungen an die Kirche. »Das heilige Gottesvolk schaut auf uns und erwartet von uns nicht nur einfache Verurteilungen, sondern konkrete und wirksame Maßnahmen«, sagte Franziskus zu Beginn des Treffens. Mit einer scharfen Kampfansage an klerikale Ausreden und Abwehrstrategien sorgte der kolumbianische Kardinal Ruben Salazar Gomez im Plenum für Aufsehen. Ohne das Insistieren der Opfer und der Medien hätte die Kirche die Tiefe der gegenwärtigen Krise vielleicht noch immer nicht erkannt, erklärte der Kardinal. Eine der ersten Sünden sei es gewesen, nicht zuzuhören. Viele Kirchenobere hätten gesagt, den Missbrauchsopfern gehe es bloß um finanzielle Entschädigung.
Andere hätten schlichtweg gelogen, um die schreckliche Realität nicht anerkennen zu müssen. Beim Treffen in Rom sind nun erstmals konkrete rechtliche Vorschläge diskutiert worden, wie man mit Tätern und Vertuschern zukünftig verfahren wolle. Sie sollen eine Absetzung von Bischöfen ermöglichen, die beim Umgang mit Missbrauch versagt haben. US-Kardinal Blase Cupich aus Chicago legte einen Zwölf-Punkte-Plan vor, der bestehende kirchenrechtliche Normen ergänzen und verschärfen soll. Demnach soll künftig der Metropolit einer Kirchenprovinz eine Schlüsselrolle bei der Ermittlung gegen einen Bischof und im Ernstfall auch bei seiner Absetzung einnehmen. Missbrauchsopfer fordern seit Jahren eine Kirchenrechtsreform, die ermöglicht, einen Bischof wegen Vernachlässigung seiner Aufsichtspflichten zu entlassen. Während des Gipfeltreffens im Vatikan haben Opfer sexuellen Missbrauchs erneut auf ihre Anliegen aufmerksam gemacht, unter anderem bei einer Mahnwache vor der Engelsburg. Betroffene aus verschiedenen Ländern berichteten über ihr persönliches Leid durch Missbrauch wie auch durch Abweisung durch Kirchenobere. Die Vereinten Nationen haben der katholischen Kirche eine Zusammenarbeit im Kampf gegen Missbrauch angeboten. Das schrieb die UN-Sondergesandte zum Thema Gewalt gegen Kinder, Marta Santos Pais, in einem Brief an die 190 Teilnehmer des Gipfels. Die Reaktionen auf den Missbrauchsgipfel sind geteilt. Die Opferverbände reagierten enttäuscht, sie hatten gefordert, dass Vertuscher und Täter konsequent aus dem Klerikerstand entlassen werden und die Machtstruktur und die Männerbünde in der Kirche diskutiert werden. Die Abschlussrede des Papstes löste bei Opferverbänden und kritischen Theologen Empörung aus, weil darin keine konkreten Maßnahmen zur Bekämpfung des Missbrauchs angekündigt wurden. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, zog dagegen ein positives Fazit: Franziskus habe in seiner Rede in sieben Punkten seine Leitlinien dargestellt, die die Bischofskonferenzen nun in ihren Ländern umsetzen müssten. »Niemand von uns kann das Problem länger negieren oder gar tabuisieren. « An vielen Orten der Weltkirche schlägt das Thema auch im Blick auf Ordensfrauen inzwischen Wellen, zum Beispiel in Indien: Seit Juli 2018 steht dort Bischof Franco Mulakkal (Bistum Jalandhar) unter Vergewaltigungsverdacht. Die Nonne Lisy Vadakkayil wirft ihm mehrere Vergewaltigungen vor. Sie und vier Mitschwestern protestieren öffentlich gegen den Bischof.

 

Foto: KNA-Bild
Mitglieder der Opferorganisation »Ending Clergy Abuse« demonstrieren am 24. Februar zum Abschluss des Anti-Missbrauchsgipfels in Rom. Ihre Botschaft: Null Toleranz gegenüber Missbrauchstätern.