Lernort Weltkirche

»Wie groß die Kirche ist, wie vielseitig!«

 

Pia Föhrenbacher: Als Missionarin auf Zeit in Argentinien

von Pia Föhrenbacher

Autorin

Pia Föhrenbacher:

ist heute 20 Jahre alt. Von August 2018 bis August 2019 lebte und arbeitete sie als »Missionarin auf Zeit« (MaZlerin) in Argentinien. Aktuell studiert sie Zahnmedizin in Würzburg.

 

 

 

Nach dem Abitur wollte ich nicht direkt studieren. Ich kannte die Steyler Missionsschwestern und somit war mir das Programm für junge Erwachsene, der Freiwilligendienst als MaZ (Missionarin auf Zeit), bekannt. Mir gefällt, dass es ein gemeinsamer Weg mit den Menschen vor Ort ist, was schon die Grundelemente MITbeten, MITleben und MITarbeiten widerspiegeln. Manche Freunde planten, nach Australien oder Neuseeland zu reisen – ich war da eindeutig eine Exotin. Ich wollte ein solidarisches Jahr leben und viel daraus mitnehmen für meinen weiteren Lebensweg. Schon in der Vorbereitung fand ich mich unter »Gleichgesinnten« wieder. Es war wie ein Aufatmen, frei über seinen Glauben und seine persönlichen Erfahrungen sprechen zu können. Ich wollte über meinen Tellerrand hinausblicken: eine neue Kultur kennenlernen und die Komfortzone verlassen. Es ging vor allem darum, sich auf das Neue einzulassen, und das ist etwas, das für mich Frieden schafft: das Einleben in eine andere Kultur, in ein anderes Denken.

Als ich mich vor mehr als einem Jahr nach Argentinien aufmachte, verspürte ich neben all der Aufregung und der Angst vor dem Neuen vor allem Freude. Ich wusste nicht, dass ich mich selbst so viel besser kennenlernen würde. Das war möglich, weil ich mich in meinen Projekten sehr einbringen durfte. Ich lernte auch, über den eigenen Schatten zu springen. Konkret, indem ich einmal wöchentlich das Morgengebet in der Kommunität der Schwestern übernahm, ein bis zwei Tage in der Woche kochte, in der Schule dem Englischlehrer Arbeit abnahm, später meinen eigenen Englisch-Workshop leitete und im Kindergarten und im Kinderheim die Aufsichtspersonen beziehungsweise Lehrerinnen unterstützen durfte. Ich habe so viel gelernt, dass ich es kaum in Worte fassen kann. Deutlich hat es ein Freund vor kurzem beschrieben. Er (18) antwortete auf meine Frage, wie es den Menschenwegen der Wirtschaftskrise vor Ort gehe: »Pia, es geht einigen nicht so gut, aber wir müssen lernen, zufriedener zu sein mit dem, was Gott uns geschenkt hat.« Dankbarkeit für das, was man Tag für Tag geschenkt bekommt. Mit dem Begriff »Missionar« habe ich mich vor dem Auslandsjahr viel beschäftigt, und in Argentinien habe ich gelernt, wie schön diese Bezeichnung ist. Dort ist es ganz »normal«, dass ich Misionera laica – also Laienmissionarin auf Zeit – bin. Ich habe gelernt, was es heißt, Solidarität und auch seinen Glauben zu leben.

Vor dem Einsatz hatte ich etwas Spanisch gelernt. Vor Ort habe ich immer mehr von den Gesprächen, also auch von der Kultur, mitbekommen und konnte so in die Sprache hineinwachsen. Ich merkte, wie wichtig die Kommunikation ist und wie toll es sich anfühlt, wenn man mit seinem Sitznachbarn im Bus über alles Mögliche sprechen kann – das erfüllt den Alltag. Schwerer hatte ich mir den Kontakt zu Gleichaltrigen vorgestellt. Wie wachsen Beziehungen und eine Vertrauensbasis? Da es in der Gemeinde viele Kinder und Jugendliche gab und ich von Anfang an in den Gruppen dabei war, ging es ganz schnell, und ich freue mich täglich über die Freundschaften, die über das Jahr gewachsen sind.

Hin und wieder stieß ich aber auch an meine Grenzen. Gerade bei weltkirchlichen Themen. Immer wieder registrierte ich, wie groß die Kirche ist, wie vielseitig. Nach ein paar Monaten hatte ich eine gute Freundin gefunden und wir tauschten uns offen aus, etwa über Themen wie Homosexualität, die in Argentinien ein Tabu sind. Es tat gut, offen zu reden und ehrliche Antworten zu bekommen. Durch diesen Austausch und zahlreiche weitere Gespräche lernte ich, meinen Blickwinkel zu verändern, zuzuhören und ansatzweise zu verstehen. Ich glaube, jedes Mal, wenn ich mich intensiv mit einem Thema und den Menschen vor Ort beschäftigt habe, bin ich etwas tiefer in die Kultur eingetaucht. Dafür bin ich dankbar und hoffe, dass ich jeden Tag etwas mehr lerne, mich in andere Ansichten hineinzudenken. Ich habe immer gesagt, dass das MaZ-Jahr für mich ein Geschenk ist – rückblickend kann ich das umso mehr bestätigen.

Foto: privat
Zu Pia Föhrenbachers Aufgaben gehörte es unter anderem, das Morgengebet in der Kommunität der Steyler Missionsschwestern mitzugestalten.