von Johannes Seibel
Nigeria ist mehr als nur Boko Haram. Zu sehr beherrscht eine islamistische Terrorgruppe die Schlagzeilen über dieses Land in Deutschland. Wir dagegen lernen bei einer Reise nach Nigeria im Januar diesen Jahres Menschen kennen, die tatsächlich Schlagzeilen verdienen: leidenschaftliche wie kluge Frauen und Männer, die Dialog, Gerechtigkeit, Gewaltlosigkeit und Frieden zu ihrer Mission machen.
Johannes Seibel
Leiter der Abteilung Kommunikation und Presse von missio Aachen e.V.
Ordensfrauen, Priester, Laien, Bischöfe sowie muslimische Gelehrte sind zu unserer gemeinsamen Konferenz von missio und der Nigerianischen Bischofskonferenz gekommen. Für sie greift die Geschichte eines vermeintlich christlich-muslimischen Glaubenskrieges viel zu kurz. Besonders beeindruckt die muslimische Aktivistin und Mutter Amina Mohammad. Sie ist mit der Ordensfrau Schwester Veronica Onyeanisi und der christlichen Aktivistin Elizabeth M. Abuk gekommen. Alle drei arbeiten gemeinsam im vom Boko-Haram- Terror besonders betroffenen Kaduna State im Norden Nigerias. Sie engagieren sich im Women Interfaith Council (WIC). Dabei betreuen sie auch christliche und muslimische Mütter, die selbst oder deren Familien von Terrorakten betroffen sind. Die drei Frauen berichten mir: Bomben, Gewehre und Hass unterscheiden nicht zwischen Christen und Muslimen. Terror tötet ohne Rücksicht auf Religionszugehörigkeit Söhne und Töchter. Die Mütter helfen sich, um vielfältigste Gewalterfahrungen zu verarbeiten. Sie gehen bewusst gemeinsam auf die Straßen in ihrer Heimatregion, wenn Konflikte eskalieren. Ihre Botschaft: Hört auf damit, Religion als Brandbeschleuniger für politische, ethnische oder ökonomische Konflikte zu missbrauchen! Beginnt mit der Friedenserziehung in euren Familien!
Differenziert und engagiert diskutieren die Tagungsteilnehmer/- innen über die besten Wege, mithilfe des interreligiösen Dialogs die Gewalt zu überwinden. Worin sich alle einig sind: Der interreligiöse Dialog ist vielschichtig. Es reichen keine runden Tische und repräsentativen Treffen. Die Tagungsgäste debattieren darüber, womit sich der Gewalt der Boden entziehen lässt: Bildungs- und Jugendarbeit, Konfliktprävention, Friedensarbeit, Werteerziehung, Einsatz für soziale Gerechtigkeit und Kampf gegen Korruption, Einsatz für Menschenrechte, Stärkung der Frauen, gutes Vorbild der religiösen Autoritäten, Abwehr der politischen Vereinnahmung von Religion, Aussteigen aus einer Schuldzuweisungs-Spirale. Das alles kann keine Religionsgruppe allein leisten. Christen und Muslime müssen sich gemeinsam den Problemen in ihrem Land stellen. Diese leidenschaftlich und klug streitenden Menschen, die ich in Abuja getroffen habe, müssen wir unterstützen. Dann können wir uns auch glaubhaft für Religionsfreiheit stark machen und damit den Christen in Nigeria helfen, die bedrängt sind.
Vom 19. bis 27. Januar 2020 reiste eine Delegation von missio-Mitarbeiter/-innen nach Nigeria. Gemeinsam mit den dortigen Experten zum interreligiösen Dialog wurde eine Konferenz in Abuja ausgetragen. Anschließend besuchte die Delegation Projekte in Abuja, Yola und Jos,
die missio seit vielen Jahren unterstützt, um den interreligiösen Dialog und Frieden in Nigeria zu fördern.