Mission und Digitalisierung

Kirchliche Pannen und ungenutzte Potenziale

 

Grundlagen religiöser Kommunikation im digitalen Umfeld

von Wolfgang Beck

Längst ist die Kirche auch in den sozialen Medien angekommen. Gleichzeitig reagieren viele Bistümer aber noch verhalten auf die digitale Glaubensverkündigung und Evangelisierung im Web. Dabei bergen die sozialen Medien das bislang wenig genutzte Potenzial zur Beziehungspflege, das oft verloren geht, wenn hauptsächlich eine Kommunikation »von oben nach unten« gepflegt wird.

 

Autor

Wolfgang Beck

Prof. Dr. theol., hat den Lehrstuhl für Pastoraltheologie und Homiletik an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main inne. Dort koordiniert er außerdem das Studienprogramm Medien und öffentliche Kommunikation. Er ist regelmäßig als Sprecher des »Wort zum Sonntag« in der ARD zu sehen und zu hören. Wolfgang Beck ist Priester des Bistums Hildesheim

 

Es ist eine komplizierte Beziehungsgeschichte: das Verhältnis zwischen katholischer Kirche und Medien, zwischen pastoraler Praxis und sozialen Medien. Das muss verwundern. Steht doch im Zentrum des christlichen Glaubens das Bekenntnis zu Christus als fleischgewordenem Wort, gehört doch die Verkündigung zu den zentralen religiösen Praktiken, werden doch am leeren Grab Menschen selbst zu Zeugen und damit zum Medium der Osterbotschaft.

Und dennoch ist mit dem Verlust des kirchlichen Monopols über Bücher und Bibliotheken in der Neuzeit und den nachfolgenden Machtverlusten aufgrund der Annäherung an die Moderne eine tiefgreifende kirchliche Verunsicherung entstanden. Diese Verunsicherung schlägt sich immer wieder in Rückgriffen auf längst überholte, vormoderne Formen indoktrinärer Verkündigungspraxis nieder. Und sie zeigt sich in auffälliger Diskrepanz zwischen kirchlichen Medienangeboten und ihrem gesellschaftlichen Umfeld. Und dennoch haben sich Christinnen und Christen genau dieser Herausforderung zu stellen, den eigenen Glauben im gegenwärtigen Gesellschaftsumfeld immer wieder neu zu kommunizieren.

Wenn sich Theologinnen und Theologen aufrichtig auf das Abenteuer kirchlicher Verkündigung einlassen, werden sie die Chancen und Potenziale entdecken, die insbesondere auch mit den unterschiedlichen sozialen Medien verbunden sind. Schnell wird dabei klar, dass hier, wie auch bei klassischen Medien, häufig mehr gefordert ist, als nur kirchlich-theologische Inhalte zu transportieren. Werden lediglich bestehende Texte und Informationen im Bereich digitaler Kommunikation eingesetzt, wird ein grundlegendes Dilemma sichtbar. Denn meist fehlt dann ein Bewusstsein für die medialen Spezifika der verschiedenen Formate.

 

Mut zur Beziehungsarbeit

Es ist geradezu tragisch, wenn mit großer Geste von Evangelisierung gesprochen, diese dann aber auf Sachinformationen reduziert wird. Dann ist weder im Blick, dass Medienformate mehr als Transportmittel sind, noch dass religiöse Kommunikation mehr als Sachinformation ist. Deshalb braucht es die Bereitschaft, sich persönlich einzusetzen und auch zu positionieren. Individuelle Projekte von Haupt- und Ehrenamtlichen neben den von Diözesen, Ordensgemeinschaften und kirchlichen Einrichtungen getragenen Medien-Engagements sind unerlässlich. Solch ein Engagement braucht neben zeitlichen Freiräumen vor allem Wertschätzung und Förderung. Das wäre mehr als oberflächliche Begeisterung für missionarische Projekte. Denn die sollten nicht in indoktrinatorische Ansätze abrutschen, sondern sich als christliche Verkündigung unter den Anspruch stellen, immer wieder die vom Evangelium Jesu Christi bestimmten Glaubensfragen mit Themen des gesellschaftlichen Lebens in Bezug zu setzen. Wo dies zumindest versucht wird, lässt sich eine Reduktion von Glaubensinhalten auf Sachfragen verhindern. Und positiv entsteht die Chance, in der Begegnung von Evangelium und Existenz die Relevanz christlichen Glaubens für die Lebensgestaltungen deutlich zu machen. Damit dies gelingt, haben sich Theologinnen und Theologen immer auch mit den Fragen der Gesellschaft zu beschäftigen, kulturelle Entwicklungen wahrzunehmen, politische und sozialethische Debatten zu beobachten und mitzugestalten sowie in all dem die eigene Sensibilität für die Lebenssituation der Mitmenschen zu pflegen.

 

Gesellschaftliche Sensibilität

In diesem Verständnis haben pastorale Akteure ein offenes Ohr für Belange der Gegenwartsgesellschaften in allen Facetten des kirchlichen Lebens zu kultivieren. Und sie haben im Gegenzug auch selbst öffentliche Debatten mitzugestalten, um der eigenen und kirchlichen Verantwortung nachzukommen. Um dies mit den erforderlichen Kompetenzen gestalten zu können, hält etwa die Philosophisch- Theologische Hochschule Sankt Georgen für Studierende geisteswissenschaftlicher Fächer und als Qualifizierungsmaßnahme für kirchliche Mitarbeitende auch ein eigenes Studienprogramm für Medienarbeit bereit. In den ersten Jahrzehnten seines Bestehens war dieses Programm noch stärker darauf ausgerichtet, Theologinnen und Theologen nach absolviertem Studium in journalistische Berufe zu vermitteln. In den vergangenen Jahren hat sich die Ausrichtung jedoch zunehmend verschoben. Längst ist klar, dass auch Theologinnen und Theologen im kirchlichen und pastoralen Dienst für ihre Aufgaben in Seelsorge und Verkündigung von diesen Kompetenzen profitieren. Denn ihre Aufgaben beschränken sich nie ausschließlich auf gemeindepastorale Kontexte. Die Gestaltung anspruchsvoller kirchlicher Publikationen gehört ebenso dazu wie das Schreiben von Artikeln für die Lokalzeitung oder die Gestaltung von Web- und Social-Media-Präsenzen von Kirchengemeinden und Einrichtungen.

Jeglicher Auftrag zu kirchlicher Verkündigung baut im 21. Jahrhundert auf Medienkompetenz auf. Dass diese Elemente im Kontext von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen bislang eine marginale Rolle spielen, muss als Krisenindiz kirchlicher Verkündigung beklagt werden. Theologinnen und Theologen, die unbearbeitete Video-Aufnahmen ihrer Predigten auf YouTube anbieten oder Gemeinden, die nur einmal im Jahr einen Beitrag in ihrem Facebook-Account posten, stehen symptomatisch für eine Fülle medialer Pannen, wie sie bereits von unprofessionellen Pfarrbriefen und vernachlässigten Schaukästen an Kirchen bekannt sind. Daneben gibt es aber auch erfreuliche Projekte. Dazu gehört der YouTube-Wettbewerb »1.31« des Bochumer Zentrums für angewandte Pastoralforschung (ZAP), die »One-Minute-Homily« des Jesuitenordens oder eine Reihe kirchennaher Blogs, wie »y-nachten.de« von Freiburger Studierenden.

Kirchliche Verkündigung ist in diesem Verständnis sehr viel weiter, als es bei einer Reduktion auf die Predigt im liturgischen Rahmen deutlich wird. Wo sich Theologinnen und Theologen journalistische Kompetenzen aneignen, finden sie nicht nur vielfältige Anwendungsfelder. Die Einzelnen werden ermutigt, sich aus christlicher Perspektive zu gesellschaftlich aktuellen Themen zu positionieren und dabei christliche Standpunkte und Impulse in Debatten einzubringen. Das personale Angebot, das für Diözesen mit solchen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entsteht, wird umso wertvoller, je weniger Menschen mit kirchlichen Prägungen in Zeitungsredaktionen, bei Fernsehsendern oder Internetportalen tätig sind.

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