Forum Weltkirche - Zeitschrift für Kirche und Gesellschaft mit weltweitem Blick

Mission und Digitalisierung

Kommunikation ist Mission

 

Kommunikation als Herausforderung in der modernen digitalen Welt

von Fabrizio Colombo

übersetzt von Jürgen Waurisch

Kommunikation und die modernen Medien sind für ihn kein bloßes Instrument, sondern Teil des heutigen Lebensumfelds der Menschen. Seit vielen Jahren schult Fabrizio Colombo katholische Jugendliche, kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Priester und Bischöfe in Afrika im Umgang mit digitalen Kommunikationsformen und Medien. Dabei kommt es unter anderem auf den richtigen Ton und die richtige Musik an. Colombo zeigt auf, dass sich auch und gerade über die digitalen Medien und sozialen Netzwerke religiöse Geschichten erzählen lassen.

Autor

Fabrizio Colombo

ist ein Comboni-Missionar aus Brescia, Italien. Er arbeitete im Tschad als Leiter des SAVE und als Direktor des Diözesanradios Lotiko. Heute ist er als Medientrainer und Berater für missionarische Medienprojekte in mehreren afrikanischen Ländern im Rahmen seiner Funktion als Vizepräsident von CREC International tätig. Außerdem ist er Experte und Berater für afrikanische Kinos und Festivals

 

Ich bin ein Comboni-Missionar und stamme aus Norditalien. Neun Jahre sammelte ich Missionserfahrungen im Tschad, in erster Linie als Leiter eines Medienzentrums und eines UKW-Radiosenders. Derzeit lebe ich in Italien, reise aber normalerweise viel um den Globus. Die meisten meiner Reisen führen mich nach Afrika. Im Rahmen meiner Tätigkeit für die katholische Organisation CREC International (Zentrum für Forschung und Bildung in Kommunikation) vermittle ich Medieninteressierten, wie sie das Evangelium mit ihrer Arbeit zu einer wahrhaft inspirierenden Kraft werden lassen.

Durch meine Lehrtätigkeit und die Mitarbeit an missionarischen Medienprojekten in den vergangenen 20 Jahren wurde mir klar, welchen unglaublichen Einfluss Kommunikation und Medien auf die Menschen haben können. Gleichzeitig stellte ich fest, dass die Kirche häufig noch stark in alten Formen der Kommunikation verharrt. Zu viele glauben, dass einzig und allein im Buch die Rettung liegt. Digitale Medien gelten hingegen als oberflächlich, ablenkend und nicht tiefgründig genug für den Aufbau echter zwischenmenschlicher Beziehungen. Mehr noch: Man nimmt sie als Feinde wahr, statt als modernes Kommunikationsmittel für die Kirche und als Verbündete bei der Evangelisierung.

Vor diesem Hintergrund vertrete ich die These, dass digitale soziale Medien heute kein optionales, sondern vielmehr ein unerlässliches Kommunikationsmittel sind. Genau genommen sind sie sogar mehr als nur ein Kommunikationsmittel – sie sind das Umfeld, in dem wir heute leben. In diesem Beitrag möchte ich meine persönlichen Erfahrungen schildern, die mir Denkanstöße gaben und mir dabei halfen, Wege zu finden, unsere Kommunikation in der Kirche glaubwürdiger und wirkungsvoller zu gestalten.

 

Jugendliche und Medien

Zunächst einmal möchte ich mit dem Mythos aufräumen, dass es in Afrika nur eine geringe Internetabdeckung gibt und die Menschen daher nur schwer Zugang zur digitalen Welt haben. Nach meinen Beobachtungen ist das nicht der Fall. Die Menschen – vor allem Jugendliche – ergreifen jede Möglichkeit, das Internet zu nutzen, auch wenn es manchmal langsam ist. Öffentliche Plätze und Cafés mit kostenlosem Internetzugang sind oft voller junger Leute mit ihren Laptops oder Smartphones. Alle wollen online sein, kommunizieren, Videos schauen und unterhalten werden. Das Ziel dieser Menschen sind soziale Netzwerke, Videoplattformen und Nachrichtenkanäle. Auch ich habe dieses Bedürfnis und möchte das Internet auch in Seminaren nicht missen. Manche Rektoren und Ausbilder sind der Meinung, es würde zu sehr ablenken oder von der Realität entfremden. Für mich hingegen ist es Ausdruck der Teilhabe und des Wunsches nach Zugehörigkeit zu dieser neuen Welt.

In seinem Buch Cyberteologia. Pensare il cristianesimo al tempo della rete schreibt der Jesuit Antonio Spadaro, das Internet sei kein »Instrument«, sondern quasi ein »Wohnumfeld«. Und Jugendliche wollen in diesem Umfeld als Protagonisten leben.

Seminaristen und Priester wissen sehr gut, dass ihre Nachbarn und Freunde zu Hause in sozialen Netzwerken unterwegs sind und die Unterhaltungsangebote im Internet nutzen. Und sie sind sich auch dessen bewusst, dass diese Welt der Ort sein wird, an dem sie ihren Dienst versehen.

Wie bereits erwähnt wollen junge Menschen vor allem in Afrika aktive Gestalter ihrer eigenen Kommunikation sein. Medien sind mehr als nur Informations- und Wissensquellen; sie bieten auch ein Forum, innerhalb dessen man debattieren und sich aktiv beteiligen kann. Zudem wollen Jugendliche als Mitglieder der digitalen Community Inhalte kommentieren sowie ihrer Meinung mit Emoticons, Likes und Dislikes Ausdruck geben.

Klar ist, dass die alte, analoge Kommunikation mit ihrem Top-Down-Ansatz (von oben nach unten) längst Konkurrenz bekommen hat. Als »Schülerinnen und Schüler« von Web 3.0 wollen sich Menschen aktiv einbringen, mitreden und ihre eigenen Inhalte kreieren.

 

Beobachtungen in Seminaren

Ich hatte Gelegenheit, als Ausbilder an einigen Seminaren in Afrika zu arbeiten, und habe oft den Eindruck, dass man sich dort vor digitaler Kommunikation fürchtet – vor allem vor sozialen Netzwerken.

Man hat Angst, Opfer von Hackerangriffen zu werden und die Privatsphäre einzubüßen. Wahr ist sicherlich, dass wir uns exponieren, sobald wir uns in digitale Netzwerke begeben. Dieser Gefahr müssen wir uns einfach stellen. Meine erste Aufgabe besteht deshalb darin, den Menschen dabei zu helfen, ihre Ängste zu überwinden und sich der digitalen Welt mit Mut, Kreativität und prophetischem Geist zu stellen.

Vergangenen Januar war ich in Togo, in einem Seminar im Norden des Landes. Der Internetanschluss wurde extra für unsere Schulung installiert. Auch dort bestand die Aufgabe darin, die Leute in soziale Netzwerke zu bringen, in ihnen aktiv zu werden, mit dem Handy Video-Storys zu erstellen und zu lernen, wie man Influencer (Einflussnehmer) wird.

Die Seminaristen waren diesbezüglich keine Anfänger, weil sie privat bereits in sozialen Netzwerken unterwegs waren. Aber wie würde es sein, dort offiziell ein Seminar abzuhalten?

Die eigentliche Herausforderung bestand darin, die Ausbilder davon zu überzeugen, dass die Nutzung sozialer Netzwerke eine hervorragende Gelegenheit ist, das Leben, die Botschaft und die Bildungsarbeit des Seminars durch die Geschichten der Seminaristen bekannt zu machen.

Es ist nicht ganz einfach zu vermitteln, dass sich junge Menschen, die beginnen, anderen in sozialen Netzwerken zu folgen, durch einfache Lebensgeschichten anderer junger Menschen sehr stark angesprochen fühlen. Diese Storys zeigen ihnen, wie junge Erwachsene leben, die sich der Nachfolge Christi verschrieben haben – und bewirken im besten Fall, dass sich die Jugendlichen mit ihnen identifizieren. Diese Art der Ansprache entfaltet definitiv eine große Wirkung, bedient sie sich doch nicht der Sprache der Kommunikation von oben nach unten und auch nicht der Fachsprache der katechetischen und theologischen Lehre, sondern der erzählerischen Sprache der Kommunikation von unten nach oben, die das Herz berührt und dem Menschen auf seinem Weg als Inspiration dienen kann.

Die Entscheider sind häufig der Meinung, die auf diesem Weg vermittelten Botschaften blieben oberflächlich. Aber gerade hier entfaltet die moderne Kommunikation ihre Stärke: Ihr gelingt es, die Gefühle der Menschen anzusprechen, weil sie – um sich eines Begriffs von Fr. Pierre Babin, Gründer von CREC, zu bedienen – wie eine »mündliche Nachricht« funktioniert, über »Schwingungen«, mittels derer die elektronische Sprache (bestehend aus Tönen, Bildern, Farben, Handlung, Bewegungen usw.) direkt die Herzen der Menschen berührt. Diese Art der Kommunikation wird zu einem authentischen Ausdruck von Menschen, die ohne Angst, ihre Privatsphäre einzubüßen, jedem ihre Identität, ihre Träume und ihr Herz offenbaren. Schauen Sie sich nur an, wie Papst Franziskus kommuniziert: zutiefst authentisch und dadurch überzeugend und wirkungsvoll.

In dem Zusammenhang erinnere ich mich an die Arbeit mit den Bischöfen von Papua-Neuguinea. Nach einem »Storytelling-Video« hatte ich sie gebeten, eine eigene Facebook-Seite zu erstellen. Am Anfang gab es natürlich große Vorbehalte. Um ein bisschen Druck zu machen, holte ich mir einige Informatikstudenten vom Institut der Salesianer in Port Moresby in den Kurs.

Zwei für jeden Bischof. Keiner durfte den Raum verlassen, ohne eine eigene Social-Media-Seite erstellt zu haben. Es war großartig anzusehen, wie diese jungen Leute (»Digital Natives«, die im digitalen Zeitalter aufgewachsen sind) den Bischöfen (»Digital Immigrants«, die sich mit den technischen Neuerungen vertraut machen) erklärten, wie man eine eigene Präsenz auf sozialen Netzwerken erstellt, pflegt und über sie kommuniziert.

Unter Anleitung der Studenten legten die Bischöfe nach und nach ihre Angst ab. Heute wird die Präsenz dieser »digitalisierten« Bischöfe auf sozialen Netzwerken regelmäßig mit Fotos und Kommentaren aktualisiert. So erhalten die Menschen einen Einblick in das tägliche seelsorgerische Wirken ihrer Bischöfe.

Sobald sich die Ängste vor der digitalen Welt gelegt haben und sich neue Kanäle bieten, über die man kommunizieren und sich präsentieren kann, erhält die Kirche über die sozialen Medien Zugang zu einem breiteren Publikum. Gleichzeitig verändert sie damit jedoch grundlegend die Art und Weise, wie sie kommuniziert. Die Kommunikatoren der Kirche lernen, von einer intellektuellen Theologie, die mitunter etwas leidenschaftslos daherkommt, zu einer Form der Ansprache mit viel größerer Nähe zum Leben der Gläubigen zu finden. Die Gläubigen ihrerseits erleben ihre Geistlichen auf den digitalen Plattformen vielleicht zum ersten Mal in der Einfachheit und Konkretheit ihres Lebens – über eine direkte und vereinfachte Lehre.

Es entsteht ein wichtiger Dialog, in dem ein Stilwechsel in der Kommunikation der Kirche stattfindet. Eine Botschaft, die von oben kommt und sie zu passiven Empfängern macht, spricht sie nicht mehr an. Sie wollen einen interaktiven Austausch, der sich in etwa auf Augenhöhe abspielt: ein Mensch von Angesicht zu Angesicht mit einem anderen Menschen. Hollywoodstars, die statt vom roten Teppich aus ihrem Wohnzimmer berichten, haben das verstanden, und Papst Franziskus lebt dies mit seiner Kommunikation stets beispielhaft vor. Es ist also an der Zeit, dass künftige Priester und hochrangige Geistliche lernen, so zu kommunizieren, dass sie die Menschen erreichen. Und das gilt nicht nur für die eigene Herde.

Zudem kann der neue Trend, Online-Influencer zu werden, katholischen Medienschaffenden eine Möglichkeit bieten, sich mit einem neuen Stil Zugang zur digitalen Welt zu verschaffen. Es geht nicht darum, die Zahl der Exegeten zu erhöhen, die am Sonntag Predigten halten, sondern neue Wege zu finden, auf unterhaltsamere und formatgerechtere Weise unseren Glauben zu bezeugen. Von Sport über Musik und Filmrezensionen bis hin zu Sozialanalysen und natürlich zur Spiritualität können die neuen katholischen Influencer neuartige und intelligente Wege zur stärkeren Einbeziehung und Inspiration der Menschen entwickeln. Genau das bildet den Schwerpunkt vieler meiner neueren Schulungsprogramme.

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