Frieden und Zusammenhalt

Religions for Peace (RfP): Religionen für den Frieden

 

Religionen beten und handeln gemeinsam gegen COVID-19

von Peter Bender

Innerhalb kürzester Zeit hat die Corona-Pandemie weltweit Politik, Wirtschaft und Religion dramatisch verändert. Dass man ihr nur gemeinsam begegnen kann, spiegelt sich auch im gesteigerten interreligiösen Engagement, das sich im Verlauf der vergangenen Wochen und Monate entwickelte. Viele religionsverbindende Hilfsaktionen wurden ins Leben gerufen und ein Hilfsfonds eingerichtet. Eine zentrale Rolle dabei spielte die globale interreligiöse Organisation Religions for Peace (RfP).

Autor

Peter Bender

ist Politikwissenschaftler und katholischer Theologe sowie Mitglied von Religions for Peace (RfP) Deutschland

 

Die weltweite interreligiöse Organisation Religions for Peace (RfP) hat zur Unterstützung von Religionsgemeinschaften und Gläubigen in der Corona-Pandemie und als konkreten Schritt internationaler und interreligiöser Solidarität ein Online-Portal und einen Hilfsfonds zur Virus-Krise eingerichtet.

Religions for Peace, 1970 in Kyoto gegründet, in über 90 Ländern und 6 Kontinentalregionen präsent, hat seinen globalen Sitz in der stark von der Virus-Pandemie betroffenen US-Metropole New York und arbeitet eng mit den Vereinten Nationen zusammen. Das 50-jährige Bestehen der interreligiösen Bewegung dieses Jahr wird nun überschattet von der Corona-Pandemie, so dass ursprünglich geplante Jubiläumsveranstaltungen nun zu gemeinsamen Reflexionen und Arbeitstreffen im Online-Format umgewandelt werden.

Unter der neuen, dynamischen Generalsekretärin Azza Karam reagiert RfP International auf die Einschränkung persönlicher Begegnungen in Zeiten von Gesundheitsrisiken, Reise- und Veranstaltungsverboten mit einer Reihe von Online-Dialogen, virtuellen Workshops, Webinaren und Video-Konferenzen – zu Fragen der Pandemie, Spiritualität, aber auch zu interreligiöser Zusammenarbeit allgemein und zu den auf der RfP-Weltversammlung 2019 in Lindau benannten Themen sowie zum in der Folge dazu in New York beschlossenen Strategie-Plan 2020-2025.

Gerade weil der interreligiöse Dialog so sehr von weltweiter Begegnung, konstantem Kontakt und persönlichem Vertrauen lebt und solche internationalen Zusammenkünfte durch die Pandemie-Beschränkungen stark beeinträchtigt sind, ist es notwendig, die interreligiöse Zusammenarbeit in der Virus-Krise nicht zu unterbrechen, sondern digital fortzuführen und womöglich zu intensivieren und gleichzeitig mit konkreten Aktionen vor Ort präsent zu sein - einige Beispiele dafür:

In einer engagierten Solidaritätserklärung „Standing together in Spirit and with Actions“ (https://tinyurl.com/y3a5oc8z    ) rief RfP am 13. März dazu auf, in der globalen Herausforderung der Pandemie den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu folgen und gemäß den Lehren und Grundsätzen der verschiedenen Religionen vereint in Solidarität mit den Leidenden nun einen demütigen Dienst an der Menschheitsfamilie zu leisten und in selbstlosem Einsatz und Sorge für die am meisten Gefährdeten und Verletzlichsten die Krise zu überwinden. In diesem Zusammenhang erinnerte RfP International auch an die Vernetztheit und Einheit der Menschheit und die Aufgabe, interreligiöses Handeln gemäß der Faiths for Rights-Initiative und ihren 18 Verpflichtungen konkret umzusetzen.

Einen umfassenden Überblick über interreligiöse und multireligiöse Aktionen gegen die Pandemie gibt RfP auf der Online-Plattform „Multi-Religious COVID-19 Hub“ (https://tinyurl.com/y2euj9as    ) mit Erklärungen, Materialien, Terminen, praktischen Hinweisen und Kontakten. Gegen Resignation und spirituelle Leere in der Pandemie verweist RfP auf ermutigende Hoffnungszeichen (“Stories of Hope”) und nach Kontinenten gegliederte Nachrichten aus der RfP-Bewegung (https://tinyurl.com/yxnl6bh2    ).

Mit dem neu aufgelegten „Multi-religious Humanitarian Fund“ von RfP sollen interreligiöse Projekte, die humanitäre Bedürfnisse in der Corona-Pandemie erfüllen, finanziell gefördert werden (https://tinyurl.com/y5zpw9h6    ).

Am 1. April versammelten sich RfP-Aktive zum virtuellen Treffen „Global Interfaith Moment of Hope & Solidarity in the time of COVID-19”. Das Webinar mit simultan zugeschalteten Religionsvertreterinnen und –vertretern aus der ganzen Welt schloss ab mit einer feierlichen Selbstverpflichtung zu Gebet, Aktion, Hoffnung, Solidarität und Trost (https://tinyurl.com/y52fvc78    , deutsche Übersetzung erhältlich über RfP Deutschland).

Gemeinsam mit dem Center of Theological Inquiry der Universität Princeton diskutierte RfP am 28. April auf dem Workshop “Leading in the New Normal of a Pandemic World” die Themen Leadership, Umweltschutz, Geschlechtergerechtigkeit und Friedensstiftung im Zeichen der Pandemiekrise.

Zusammen mit dem Office for Democratic Institutions and Human Rights (ODIHR) der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und dem European Council of Religious Leaders (ECRL) erörtert RfP im Webinar „The Role of Religion or Belief Actors in Combating the COVID-19 Pandemic, Strengthening the Human Security and Implications for the Future” am 25. Juni den Beitrag, den Religionen und religionsbasierte Einrichtungen zur Bewältigung der Corona-Krise leisten können.

Aber nicht nur virtuell, auch vor Ort in Deutschland wurde konkrete interreligiöse Hilfe in der Pandemie umgesetzt: RfP China spendete 20.000 Schutzmasken an RfP Deutschland, die dann in Zusammenarbeit mit lokalen Partnern von verschiedenen RfP-Ortsgruppen in mehreren deutschen Städten kostenfrei verteilt wurden.

Andere bedeutende internationale interreligiöse Initiativen zur Bewältigung der Corona-Pandemie sind Gebetsaktionen und ein Forschungsprojekt zu Religionen und Corona-Pandemie an der Georgetown University in Washington DC.

Auf Initiative des christlich-muslimischen Hohen Komitee für die Brüderlichkeit aller Menschen aus Abu Dhabi hat Papst Franziskus für den 14. Mai zu einem weltweiten Tag des Fastens und des Gebets aller Religionen aufgerufen, zum „Beten für die Menschheit“ in der Virus-Krise.

In seiner Predigt in der Frühmesse im Domus Sanctae Marthae forderte der Papst Gläubige aller Religionen auf, für ein Ende der Corona-Pandemie zu beten. Gleichzeitig erinnerte er an die Millionen Toten der „Pandemie des Hungers“ in der Welt, die kaum beachtet werden. Auch über Twitter bat er um das Erbarmen Gottes und das gemeinsame Gebet.

Der Runde Tisch der Religionen in Deutschland hat in einem gemeinsamen Video den religionsübergreifenden Gebetsaufruf zum 14. Mai eindrucksvoll umgesetzt. Prominente Vertreterinnen und Vertreter der Katholischen Kirche, Evangelischen Kirche, des Judentums, der Muslime, des Buddhismus und der Bahá’i beteten angesichts der grenzenlosen Virus-Bedrohung um Schutz und Segen, um körperliche und seelische Gesundheit, um ein Ende des Leids, gerade auch für besonders betroffene Menschen (https://tinyurl.com/y6sm4ya9    ).

Auch die Christlich-islamische Begegnungs- und Dokumentationsstelle CIBEDO beteiligte sich mit einem eigenen Gebetsvorschlag an dem weltweiten Aufruf. Die interreligiöse Initiative House of One zum Bau eines Hauses der drei Religionen Christentum, Judentum, Islam in Berlin wirkte ebenfalls durch ein multireligiöses Gebet daran mit (Website House of One: https://tinyurl.com/y6fsfsqq    ).

Die Hintergründe und Vorgeschichte der interreligiösen Zusammenarbeit im Vorfeld des weltweiten interreligiösen Gebetstags zur Corona-Pandemie erläutert Maria Luisa Lo Giacco von der Universität Bari in einem Artikel, wobei sie für eine neue „Brüderlichkeit“, Geschwisterlichkeit, Solidarität der Religionen und der Staaten in der Virus-Krise plädiert (Maria Luisa Lo Giacco: Fraternity. A Proposal from Religions to States to overcome the Covid-19 Emergency. DiReSoM Paper, 20 May 2020, www.diresom.net    )

Bereits am 22. April hatten in Jerusalem führende Religionsvertreter von Juden, Muslimen, Drusen, orthodoxen und lateinischen Christen in Gemeinschaft für ein Ende der Pandemie gebetet.

Das Berkley Center for Religions, Peace and World Affairs an der Georgetown University in Washington DC, der World Faiths Development Dialogue (WFDD) und die entwicklungspolitische Joint Learning Initiative (JLI) erforschen gemeinsam die Antworten religionsbasierter Akteure auf die Corona-Pandemie und bereiten sie systematisch auf. Dadurch sollen Akteure aus Politik, Entwicklungszusammenarbeit und Religion, die in der Corona-Pandemie zusammenarbeiten möchten, leichter vertrauenswürdige Informationen finden und nutzen können.

Mittels einer Reihe von Veranstaltungen, Publikationen und einer fortschreitend weiterentwickelten Online-Ressourcen-Datenbank sollen in diesem Projekt die Erfahrungen und Erkenntnisse von Gesundheitsexpertinnen und -experten und Religionsvertreterinnen und -vertretern zusammengeführt werden. Diese stellen die Basis für weitere positive strategische Überlegungen dar, wobei der Fokus auf besonders verletzliche Gruppen gelegt werden soll. Verfügbar sind auch Verweise auf pandemierelevante Lehren und spirituelle Quellen in verschiedenen Religionen, konkrete Handreichungen für Religionsgemeinschaften vor Ort, Erfahrungsbeispiele, Checklisten und praktische Berichte über die Umsetzung von Hygienemaßnahmen bei religiösen Feiern und Ritualen, auch differenziert nach Religion, Weltregion und Anlass. Die differenziert und nach Aktualität, Unterthemen, Ländern, Religionen benutzerfreundlich gegliederte Online-Plattform „Faith and COVID-19: Resource Repository“ umfasst bereits über 100 Seiten mit Links zu Artikeln, Dokumenten, Analysen, Handreichungen. (https://tinyurl.com/y55amb9z    ) Über 25 Verweise allein auf interreligiöse und ökumenische Statements und Aktionen zur Corona-Pandemie sind dort aufgelistet (https://tinyurl.com/y4w8s2fn    ).

Über religionsbezogene Corona-Beschränkungen in verschiedenen Staaten, Reaktionen verschiedener Religionsgemeinschaften und religionsrechtliche Fragen zur Corona-Pandemie informiert das von Wissenschaftlern italienischer Universitäten herausgegebene E-Book Law, Religion and Covid-19 Emergency (herausgegeben von Pierluigi Consorti, DiReSoM Paper 1, Pisa, May 2020), online unter: https://tinyurl.com/y6pbuhmy    ).

Die globale Bedrohung durch das Virus betrifft alle Religionen und Gläubige existenziell und beeinträchtigt auch die Glaubenspraxis massiv. Vielleicht kann diese gemeinsame Erfahrung das Verhältnis der Religionen zueinander nachhaltig verbessern und im Geist der RfP-Weltversammlung von Lindau digital und analog eine neue interreligiöse Zusammenarbeit für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung befördern.

Verteilung von Masken in Augsburg/Schwaben durch Religions for Peace zur Unterstützung von Geflüchteten.