Nigerias Frauenministerin Pauline Tallen spricht von einer »Pandemie in der Pandemie«: Während des Lockdowns zur Eindämmung des Coronavirus habe die Gewalt gegen Frauen stark zugenommen. Vor allem junge Frauenrechtsaktivistinnen hatten das in den vergangenen Monaten durch Proteste deutlich gemacht – meist in sozialen Netzwerken, mitunter auch auf der Straße. Mittlerweile haben alle 36 Gouverneure in ihren Bundesstaaten den Ausnahmezustand bezüglich geschlechtsspezifischer Gewalt verhängt. Doch in den lokalen Medien wird täglich über neue Fälle berichtet, aus allen Regionen. Bisher haben nur zehn der 36 nigerianischen Bundesstaaten das Gesetz zum Verbot von Gewalt gegen Menschen ratifiziert, obwohl es bereits 2015 beschlossen wurde. Es gilt als richtungsweisend, um geschlechtsspezifische Gewalt strafrechtlich besser verfolgen zu können.
Eine Gemeinschaftsinitiative der EU und der Vereinten Nationen setzt jetzt auf Vertreter von Kirchen und Moscheen und auf traditionelle Herrscher, die im Land bis heute einflussreich sind. »Sie haben eine wichtige Rolle«, sagt Comfort Lamptey, Nigeria-Repräsentantin der UN-Einheit für Gleichstellung und Ermächtigung der Frauen – und sie hätten auch mit Abstand den engsten Kontakt zur Bevölkerung. Missbrauch und Vergewaltigung seien eine »unheilige Gewalt«, sagt Sama’ila Mohammadu Mera, Emir von Argungu im Bundesstaat Kebbi. Der Islam spreche sich klar gegen Gewalt an Frauen aus. Daher müssten alle religiösen Meinungsführer die Initiative unterstützen. Der Initiative geht es nicht nur um die Aufarbeitung aller Fälle von Gewalt und entsprechende Strafen, sondern auch darum, der Stigmatisierung der Opfer entgegenzuwirken.