von Thomas Fornet-Ponse
Theologie und Philosophie leben vom Austausch. Akademische Netzwerke bieten eine gute Möglichkeit, ihn nicht nur zu verstetigen und zu institutionalisieren, sondern auch gleichberechtigt zu gestalten. Dazu sind vor allem eine eurozentristische Sichtweise zu überwinden und das Vertrauen untereinander aufzubauen. Dies ermöglicht besseres gegenseitiges Verständnis und tieferes Verständnis der eigenen Position und befördert somit den wissenschaftlichen Fortschritt.
Thomas Fornet-Ponse
ist Leiter der Abteilung Bildung des katholischen Missionswerks missio Aachen e.V.
Akademische Netzwerke sind notwendig für eine missionarische Kirche. Diese Auffassung vertritt insbesondere auch Papst Franziskus in der Apostolischen Konstitution Veritatis Gaudium, wenn er sie unter die Grundkriterien fasst, die gelten, um den Beitrag kirchlicher Studien zu einer missionarischen Kirche zu erneuern und wiederzubeleben. Auch in den Orientierungshilfen der Bildungskongregation Erziehung zum solidarischen Humanismus. Für den Aufbau einer ›Zivilisation der Liebe‹ 50 Jahre nach Populorum progressio (2017) sollen angesichts der enormen globalen Herausforderungen solche Netzwerke der Kooperation einen Beitrag zu einem solidarischen Miteinander und einer Globalisierung der Hoffnung leisten. Ein zentraler Bestandteil dabei ist die inklusive Perspektive solcher Netzwerke, da es letztlich allen Menschen ermöglicht werden soll, sich aktiv mit ihren Begabungen und Berufungen einzubringen. Dies bedeutet nicht nur – aber auch! –, Menschen den Zugang zu Bildung ermöglichen, denen er bislang beispielsweise aufgrund mangelnder materieller Ressourcen oder mangels geeigneter Angebote faktisch verwehrt war. Konsequent gedacht liegt eine solche inklusive Perspektive darüber hinaus auf der Linie der gegenwärtig verstärkt in den Blick kommenden Forderung nach einer »Dekolonisierung des Denkens«. Im akademischen Bereich geht es dann etwa darum, gegen eine mehr oder weniger ausdrückliche Vorherrschaft der »westlichen« Rationalität, Wissenschaft und Technik in einem interkulturellen Dialog der verschiedenen Wissens- und Erkenntniskulturen der Welt nach alternativen Zivilisationsmodellen zu suchen, die der Fülle der kulturellen Diversität (auch derjenigen innerhalb der abendländischen Tradition) Rechnung tragen.[1] Dies beinhaltet eine gegenseitige Kritik insbesondere jener »blinder Flecken«, die durch die Begegnung mit anderen kulturellen und epistemischen Traditionen offengelegt und bearbeitet werden können. So versteht eine andine Philosophie mit ihrer einschließenden Rationalität Gegensätze eher als komplementäre Polaritäten und weniger als sich ausschließende Widersprüche ...
[1] Vgl. dazu Josef Estermann, Warum der Süden unten ist: Interkulturelle Beiträge zu Dekolonialität und Vivir Bien. Aachen 2019; Rau´l Fornet-Betancourt, Elementos para una crítica intercultural de la ciencia hegemónicirca, Aachen 2017.