Synodaler Weg

Das »Jahrbuch Mission«

 

Interview mit Michael Biehl und Marco Moerschbacher

Von Marita Wagner

Was ist das Jahrbuch Mission und wer steht hinter diesem Publikationsorgan?

Michael Biehl: Das Jahrbuch Mission ist eine jährliche Publikation im Bereich von Mission und Ökumene. Themen waren in der jüngeren Vergangenheit »Schöpfung « oder »Gewalterfahrungen und Gewaltüberwindung «. Jeweils 20 bis 25 Autor:innen aus Deutschland und aus kirchlichen Zusammenhängen in Ozeanien, Asien, dem Mittleren Osten, Afrika und Lateinamerika schreiben zu den Jahresthemen aus drei Perspektiven. Im aktuellen Jahrbuch 2022 »Online durch die Pandemie « waren dies Theologische Interpretationen, Verortungen – Lernprozesse und Veränderungen – Aufbrüche. Dazu kommt ein Teil mit Leseempfehlungen zum Thema und zu Veröffentlichungen zu den gerade genannten Regionen. In jeder Ausgabe gibt es passend eine künstlerische Perspektive und einen Forum-Teil, in dem über wichtige Ereignisse in Mission und Ökumene berichtet wird.

Hinter den Ausgaben des Jahrbuchs steht eine Redaktion von ehrenamtlichen Personen, die in Mitgliedswerken der Evangelischen Mission Weltweit (EMW) mitarbeiten, je ein Vertreter aus der evangelikalen Bewegung und aus dem römisch-katholischen Raum und eine beauftragte Redakteurin. Herausgegeben wird es im Auftrag der EMW, in deren Geschäftsstelle die Ausgaben verlegerisch betreut und fertiggestellt werden.

Autor

Michael Biehl

ist für die Evangelische Mission Weltweit für das Redaktionsteam von Jahrbuch Mission verantwortlich. Er ist Theologischer Referent in der Geschäftsstelle in den Units »Theologie & Ökumene« und »Theologische Ausbildung«.

Autor

Marco Moerschbacher

ist Afrikareferent beim Missionswissenschaftlichen Institut missio e.V. (MWI) bei missio in Aachen, u. a. mit der Schwerpunktsetzung »Frieden zwischen den Religionen « tätig. Darüber hinaus ist er Gastprofessor für Missionswissenschaften an der Katholischen Universität von Löwen (KUL) in Belgien.

Marco Moerschbacher: Seit vielen Jahren bin ich der katholische Vertreter im Redaktionskreis, entsandt von der Konferenz Weltkirche und Mission der Deutschen Bischofskonferenz. Eine Herausforderung, die Spaß macht – so empfinde ich die Arbeit am Jahrbuch Mission. Sie ist zugleich Ausdruck und ein konkretes Beispiel der langjährigen Kooperation zwischen missio Aachen und der EMW, geht aber durch die deutschlandweite und letztlich globale Vernetzung darüber hinaus.

Wann und in welchem Kontext ist das Jahrbuch Mission entstanden?

Michael Biehl: Es steht in einer langen Tradition, die bis an den Anfang des 20. Jahrhunderts zurückreicht. Im Jahr 1951 erschien nach zehnjähriger Unterbrechung das erste Jahrbuch der Nachkriegszeit. Seit den 1980er- Jahren wurden Vertreter:innen der evangelikalen Bewegung und aus der römisch-katholischen Kirche in die Redaktion eingeladen und trugen dazu bei, die ökumenische Bandbreite der Beiträge zu erweitern. Seitdem heißt es Jahrbuch Mission.

Die Bandbreite zeigt sich auch in den missionstheologischen, ökumenischen und dialogischen Themen seit den 1980er-Jahren. Die Beiträge zu den thematischen Ausgaben im Jahrbuch Mission sind ein Spiegel der Veränderung in der Vielfalt, die mit dem Verständnis von ökumenischer ganzheitlicher Mission einhergeht.

Das Jahrbuch hat zwei Besonderheiten mit einer wechselvollen Geschichte. Schon früh hatte das Jahrbuch einen Serviceteil mit Übersichten und Adressen von Missionswerken, -gesellschaften und Missionswissenschaftler: innen und Interkulturellen Theolog:innen. Der bot auch Adressen aus dem römisch-katholischen Bereich und der evangelikalen Bewegung. Im letzten Relaunch des Jahrbuchs haben wir uns entschieden, diesen Adressteil im digitalen Zeitalter über die Website der EMW zugänglich zu machen.

2001 wurde in das Jahrbuch eine künstlerische Perspektive auf das Thema integriert. Im Jahrbuch 2021 »Online durch die Pandemie« durften wir die Arbeiten von drei Preisträger:innen des vom Kulturhimmel der Nordkirche ausgeschrieben Preises »Von der Kunst, die Krise zu deuten« abbilden.

Marco Moerschbacher: Für mich ist die Besonderheit des Jahrbuchs Mission, dass immer wieder der Brückenschlag gelingt zwischen theologischer Reflektion und konkreten Alltagserfahrungen in den verschiedenen Regionen und Arbeitsbereichen derWeltkirche – die evangelischen Christ:innen sprechen hier von Mission und Ökumene. So entsteht ein gut lesbares und theologisch fundiertes Jahrbuch. Dahinter steckt die Vielfalt der Expertisen bei den Mitgliedern des Redaktionskreises beziehungsweise den von ihnen vermittelten Partner:innen, die ihre Überlegungen und Artikel einbringen.

Wie gestaltet sich Ihr Redaktionsprozess von der ersten Idee bis hin zum fertigen Buch?

Michael Biehl: Das lässt sich anhand der Erarbeitung der Ausgabe für 2023 erläutern. Ende November 2021 hat sich die Redaktion in Dortmund getroffen, um in einem lebhaften Brainstorming das Thema des Bandes zu ermitteln. Wir haben uns schließlich auf den Arbeitstitel »Ohnmacht – Was geschieht, wenn es nicht mehr weiter geht?« geeinigt. Auch wenn es etwas bedrückend klingt, will die Redaktion den Schwerpunkt darauf legen, was Menschen tun, um mit solchen Erfahrungen umzugehen oder sie zu überwinden und was dann möglich wird. Eine Frage ist, welche Rolle in diesen Versuchen Gott spielt. Wird er als ohnmächtig und mitleidend gedacht oder als der machtvolle, in dessen Händen die Veränderung liegt? Wir versprechen uns hier einen aufschlussreichen Dialog zwischen unterschiedlichen Glaubensvorstellungen und Kontexten.

In der Redaktion werden erste Ideen gesammelt, welche Texte dazu angefragt werden sollen. Die Redakteurin Bettina von Clausewitz und ich erstellen ein erstes Konzept, sortieren die Beiträge und teilen sie vorläufig auf die drei Kapitel auf. Dieses Konzept wird mit der Redaktion überarbeitet und wir überlegen mögliche Autor:innen. Es ist immer wieder erstaunlich zu sehen, wie viele Kontakte die Redaktionsmitglieder aus der ganzen Welt einbringen können. Bettina von Clausewitz fragt die 20–25 Texte an, redigiert sie und sorgt wo nötig für Übersetzungen. Die Schlussredaktion erfolgt in der Geschäftsstelle, wo weitere Menschen an der Erstellung beteiligt sind. In der Regel kümmern wir in der EMW uns auch um die künstlerischen Beiträge.

Eine der interessanten Erfahrungen in der Redaktionsarbeit ist, dass wir uns sehr um Beiträge aus der weltweiten Ökumene bemühen und feststellen, dass die Texte nicht immer leicht in unseren Kontext zu übertragen sind.

Marco Moerschbacher: Auch ich erlebe jede Ausgabe des Jahrbuchs und ihre Entstehung als einen Prozess und für mich persönlich als einen Lernprozess, der die konfessionellen Unterschiede und Besonderheiten, häufiger aber noch Parallelen und Gemeinsamkeiten in den verschiedenen Kirchen, deutlich werden lässt. Die Herausforderungen stellen sich global und lokal, und lassen sich nur in einer zugleich lokalen und globalen Zusammenarbeit sinnvoll angehen – auch dafür steht das Jahrbuch Mission.

FOTO: VERLAG DER DEUTSCHEN EVANGELISCHEN MISSIONSHILFE (DEMH)
Titelbild Jahrbuch Mission 2021