Frauen gestalten Kirche

Länderbericht

 

Frauen in Uganda

Ins Abseits gestellt und doch führend

Von Roberto Turyamureeba

Uganda verbindet man im besten Fall mit Stephen Kiprotich, dem Olympiasieger im Marathonlauf von 2012. Im schlechtesten Fall ist Uganda ein Synonym für Idi Amin Dada, den grausamen Diktator von 1971 bis 1979. Dennoch ist der Reiz Ugandas in und außerhalb Afrikas bis heute erhalten geblieben. Wegen seiner kulturellen Vielfalt und wunderschönen Landschaft nannte Sir Winston Churchill Uganda »die Perle Afrikas«. Im Jahr 1877 kamen die ersten anglikanischen Missionare an, zwei Jahre später die ersten katholischen Missionare aus Frankreich. Von 1893 bis 1962 war Uganda ein britisches Protektorat. Wie die meisten afrikanischen Länder ist Uganda ein Beispiel für Rechtspluralismus, indem Gesetzes-, religiöses und Gewohnheitsrecht koexistieren. Frauen unterstehen diesem Gewohnheitsrecht: Sie sind dem Mann untergeordnet. Doch ohne sie gibt es keine Zukunft.

Autor

Roberto Turyamureeba

ist Comboni-Missionar aus Uganda. Er hat Katholische Theologie und Religionspädagogik an der Universität Innsbruck studiert, seit 2013 ist er Referent für missionarische Bildungsarbeit im Referat Weltkirche des Erzbischöflichen Ordinariats Bamberg. Seit 2020 ist er zudem Vizeprovinzial der deutschsprachigen Provinz der Comboni-Missionare.

Uganda ist ein Binnen- und Vielvölkerstaat im Osten Afrikas. Die Bevölkerung des Landes ist heterogen: ethnisch, kulturell, sprachlich und religiös. Uganda wird auch als »Wiege der Menschheit« bezeichnet. Archäologische Funde legen nahe, dass bereits vor 150.000 Jahren Menschen in diesem Gebiet lebten. Ab etwa 500 n. Chr. wanderten Bantuvölker von Süden und Westen ein. Im 10. und 11. Jahrhundert entstand am Albertsee im Westen Ugandas das erste Königreich von Kitara. Das Volk der Baganda schloss sich im 12. und 14. Jahrhundert zu einem weiteren Königreich zusammen. Der Palast des Königs wurde im Süden am Nordwestufer des Viktoriasees erbaut. Im 15. Jahrhundert wanderten mehrere Stämme der Niloten von Norden (Sudan) und Osten des Viktoriasees (Kenia) ein. Zeitgleich wurde das Königreich von Ankole im Südwesten und südlich des Georgsees gegründet. Ab dem 17. Jahrhundert gewann Buganda großen Einfluss und Macht in der Region. Seine Könige (Kabaka) stärkten ihre Herrschaft durch Raubzüge, Handel mit Elfenbein, aber auch durch Sklaven von arabischen Händlern, die von der Ostküste Afrikas ins Land eindrangen. Der nördliche Teil Ugandas war zu dieser Zeit noch dünn besiedelt und in kleine Stammesbezirke unter Häuptlingen aufgeteilt. Anfang des 19. Jahrhunderts spaltete sich das Königreich von Kitara auf: Im Norden entstand das Königreich von Bunyoro, im Südan das von Toro.

Die Erbfolge in all diesen Königreichen und bei allen Häuptlingen war patriarchalisch und ist es heute immer noch. Für Mädchen ist es eine große Ehre, mit Königen und Häuptlingen verheiratet zu sein. Dadurch haben sie auch Einfluss auf einige Entscheidungen ihrer Männer. Trotzdem bleiben für Frauen im Land traditionelle polygame Familienstrukturen der Unterdrückung bestehen. Dass die Männer einen Brautpreis für ihre Frauen bezahlen »müssen«, bestärkt sie in ihrer Überzeugung, ihre Frauen als »Besitz« zu sehen und zu behandeln. Im Laufe der letzten Jahrzehnte ist etwas Wesentliches leider in Vergessenheit geraten: Die kulturelle Bedeutung des Brautpreises war und ist ein Zeichen der Dankbarkeit der Herkunftsfamilie der Frau gegenüber!

 

Die Zeit der Eroberung

Das 19. Jahrhundert ist die Zeit der Entdeckung und Eroberung Afrikas durch verschiedene europäische Forscher. Gleichzeitig werden in diesen Jahrzenten koloniale Strukturen errichtet. Die Forschung nach den Quellen des Nils führten die Engländer John Hanning Speke und Sir Henry Morton Stanley in das Gebiet des heutigen Uganda. Den Entdeckern folgten Missionare und Kolonialherren. Im Jahr 1877 kamen die ersten Missionare Shergold Smith und C. T. Wilson aus England in Uganda an. Sie gehörten der anglikanischen Missionsgesellschaft Church Missionary Society (CMS) an. Danach folgten katholische Missionare: 1879 die Weißen Väter, Pater Simeon Lourdel und Bruder Delmas Amans, aus Frankreich; 1907 die St. Josef-Missionare (Mill Hill Missionaries) ebenfalls aus England; und 1910 die Comboni-Missionare (Verona Fathers) aus Italien. Die jeweilige Missionsgesellschaft bekam von der Kolonialherrschaft ein bestimmtes Gebiet übertragen. Die Missionierung Ugandas hatte eine doppelte Wirkung: Einerseits öffnete sie den Ugander:innen den Weg zum christlichen Glauben und zur Weltkirche, anderseits machte sie die Menschen in Uganda abhängig wie auch in anderen afrikanischen Ländern.

Von Anfang an war der Einsatz von Frauen für die Missionare in Afrika wichtig. Beispiele dafür sind die Comboni- Missionsschwestern (Suore Missionarie Comboniane) aus Italien und Schwestern der Mutter des Guten Rates (Sisters of Our Lady of Good Counsel) aus Kanada. Zwischen 1900 bis 1930 haben Comboni-Missionsschwestern in Zusammenarbeit mit Comboni-Missionaren ihre Niederlassungen in Eritrea, Uganda und im Sudan eröffnet. Und die Schwestern der Mutter des Guten Rates sind auf Einladung der Weißen Väter ebenfalls nach Uganda gekommen. Ihnen sowie weiteren diözesanen und internationalen Schwesterngemeinschaften wurden im Laufe der Jahre viele der pastoralen und schulischen Aufgaben in den Pfarreien anvertraut.

In einer Zeit, in der die Gesellschaft und auch die Kirche Frauen vor allem in der Rolle der Mutter und Hausfrau sah, hatte Daniel Comboni, der erste Bischof des damaligen Vikariates Zentralafrika, bereits eine bahnbrechende Vision für die Mission und für die Frauen: »Save Africa with Africa« (»Afrika durch Afrika retten«).

Von Bischof Daniel Comboni stammt die provozierende Aussage: »Eine Schwester ist mehr wert als zehn Priester!« Ordensfrauen sind heute nicht nur in Pfarreien, sozialen und karitativen Einrichtungen, Krankenhäusern und Krankenstationen, sondern auch an vielen kirchlichen und staatlichen Schulen und Hochschulen tätig.

1893 wurde Uganda ein britisches Protektorat – vergleichbar heute mit einer Annexion. Die Briten griffen massiv in das vorhandene regionale Machtgefüge der funktionierenden Königreiche und die Amtsgeschäfte der Häuptlinge ein, was zwangsläufig zu schweren Konflikten führte. Trotzdem bildete sich in Uganda kein Gegenpart zur Kolonialmacht im Gegensatz zu vielen anderen afrikanischen Staaten, wo dies der Fall war. Am 9. Oktober 1962 erlangte Uganda seine Unabhängigkeit von Großbritannien ohne blutige Aufstände.

 

Der lange Weg zum Frieden

Seit seiner Unabhängigkeit hat Uganda turbulente Zeiten unter verschiedenen Regierungen durchlebt. Der heutige Präsident, Yoweri Kaguta Museveni, kam vor 36 Jahren an die Macht. In den meisten offiziellen Berichten über seine militärischen Kämpfe, die er zwischen 1981 und 1986 gegen die damalige Regierung von Präsident Milton Obote geführt hat, wird den Frauen nie eine zentrale Rolle zugewiesen. Obwohl sie an der kriegerischen Front gekämpft haben, bleiben die Frauen unerwähnt. Bekannte weibliche Kriegsheldinnen, die heute noch am Leben sind, sind Joyce Serwaniko, Kapitänin Gertrude Njuba, Kapitänin Oliver Zizinga, Generalmajorin Proscovia Nalweyiso und Kapitänin Janat Mukwaya. Neben den militärischen Kämpfen kümmerten Frauen sich um verwundete Kämpfer und die Beschaffung von Lebensmitteln.

Die größten Herausforderungen Ugandas in den vergangenen 30 Jahren waren zahlreiche unaufgeklärte Morde, Vertreibungen sowie Entführungen von Kindern und Jugendlichen, die besonders von den Rebellen der Lord’s Resistance Army (LRA) im Norden durchgeführt wurden. 1995 wurde eine neue Verfassung unterzeichnet, die in den letzten Jahren häufiger vom Parlament geändert worden ist. Inzwischen ist Uganda politisch stabil und offiziell hat es eine Mehrparteiendemokratie. Randgruppen der Gesellschaft wie Frauen, Behinderte und Jugendliche haben in den letzten zwei Jahrzehnten Schritt für Schritt in allen Verwaltungseinheiten der Regierung einen Platz erhalten. Herausragende Frauengestalten in verschiedenen gesellschaftlichen Milieus sind ermutigende Beispiele für Mädchen. Solche Vorbilder sind Persönlichkeiten und bekannte Namen in Uganda, etwa die ehemalige Parlamentspräsidentin Rebecca Kadaga, die Gemahlin des Königs von Buganda, Sylvia Nagginda Luswata, die Musikerin Joanita Kawalya oder die Frauenrechtsaktivistin Miria Matembe.

 

Wirtschaftliche Lage

Uganda hat in den vergangenen 30 Jahren erhebliche soziale und wirtschaftliche Fortschritte gemacht. Dies zeigt sich an der politischen Stabilität, hohen Wirtschaftswachstumsraten, niedrigen Inflationsraten, niedrigen Löhnen, niedrigen Steuern und freiem Gewinntransfer. Im Jahr 2021 betrug das Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts geschätzt rund 5,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Nach wie vor ist Uganda aber mit den Herausforderungen der Armut konfrontiert, da ein großer Prozentsatz der Bevölkerung (75 Prozent) mit weniger als zwei US-Dollar pro Tag auskommen muss. Die meisten Frauen Ugandas ernähren ihre Kinder vom Ackerbau im kleinen Stil. Frauen bewirtschaften ihr ganzes Leben lang Land, das ihnen nicht gehört und produzieren, was ihnen im Gewohnheitsrecht und in der patriarchalen Familientradition vorgegeben wird. Im Fall einer Scheidung oder wenn der Mann vor der Frau stirbt und sie keine gemeinsamen Kinder mit dem Verstorbenen hat, wird sie von ihrem Grund und Boden vertrieben. Sie steht mit leeren Händen auf der Straße. Das Ziel der Frauenbewegungen ist, dass das Grundstücksrecht in der Landesverfassung verändert wird.

 

Sehr junge Bevölkerung

In Uganda leben etwa 40 Volksgruppen. Ihre Kulturen und Sprachen bilden zwei Hauptblöcke: die Bantu im Süden und die Niloten und Nilohamiten im Norden. Ugandas Bevölkerung wächst derzeit jährlich um 3,4 Prozent und nimmt dabei weltweit Platz sechs nach Syrien, Angola, Malawi, Burundi und Tschad ein. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung Ugandas ist heute unter 15 Jahre alt. Der Nordosten mit seinem ariden Klima ist am dünnsten besiedelt. Im Durchschnitt gebiert eine Frau in Uganda 5,6 Kinder. Elf Prozent der Kinder unter fünf Jahren sind unterernährt. 55 von 1000 Babys sterben, bevor sie ein Jahr alt werden. Weitere sieben Prozent der Kinder erleben ihren fünften Geburtstag nicht.

Die durchschnittliche Lebenserwartung bei Frauen ist heute 64 Jahre, bei Männern 60 Jahre. Besorgniserregend ist die frühe Verheiratung von Mädchen: Ein Teil wird weit vor dem 18. Geburtstag zwangsverheiratet. Uganda hätte Gesetze, um die Kinder zu schützen, doch in der Realität ist man weit davon entfernt.

 

Vielfalt an Konfessionen

Das Christentum ist die am meisten praktizierte Religion in Uganda. Über 85 Prozent der Bevölkerung gehören einer der folgenden Konfessionen an: römisch-katholisch, östlich-orthodox, anglikanisch, pentekostal, adventistisch, baptistisch und presbyterianisch. Eine Anzahl von anderen Religionsgemeinschaften ist ebenfalls in Uganda etabliert: Islam, Bahá’í, Sikhismus und Hinduismus. Eine kleine Bevölkerungsgruppe praktiziert indigen- traditionelle Religionen. Die Verfassung der Republik Uganda legt fest, dass es keine Staatsreligion gibt. Glaubensfreiheit besteht im Land. Die Verfassung untersagt die Gründung politischer Parteien auf der Grundlage von Religion. Der Religionsunterricht an öffentlichen Schulen ist deshalb nach der Grundschule fakultativ. Grundschulen unterrichten in der Sozialkunde entweder das Christentum, den Islam oder auch beides.

In Pfarreien, Kirchengemeinden, Einrichtungen und Gemeinschaften sehen Frauen heute ihre Aufgaben in folgenden Diensten: als Geistliche, Religionslehrerinnen, Lektorinnen, Katechistinnen, Gemeinde- und Wort- Gottes-Leiterinnen, Ordnerinnen, Mitglieder der Kirchenchöre und Gesangsvereine in ihren jeweiligen Konfessionen. Durch diese Dienste vermitteln sie – besonders der jungen Generation im Land – menschliche und religiöse Werte, die ihre Person und ihr Umfeld maßgeblich prägen.

 

Auf die Zukunft hin

Die sich wandelnde Rolle der Frau hat die Gesellschaft Ugandas geformt und verändert. Dies ist eine bemerkenswerte Leistung besonders im Hinblick auf die traditionelle und kulturelle Benachteiligung und Unterdrückung der Frau. Ähnliche Prozesse und Aufbrüche zeichnen sich nicht nur in einem Staat wie Uganda, sondern auch in anderen Staaten Afrikas und der Welt ab. Das ist sehr ermutigend. Es ist meine persönliche Überzeugung, dass die Frauen in meinem Heimatland Uganda sowie auf dem Kontinent Afrika eine unverzichtbare Rolle für eine gute Zukunft bilden und spielen. Keine Gesellschaft oder Religion kann sich leisten, darauf zu verzichten.

FOTO: RAIMUND FITZ
Altarbühne geschmückt mit Bildern vom heiligen Bischof Daniel Comboni in der Pfarrei St. Daniel Comboni Bitooma.
FOTO: RAIMUND FITZ
Ordensfrauen einer ugandischen Kongregation, die Leitungsfunktionen am St. Daniel Comboni Hospital Kyamuhunga innehaben, mit Besuch aus Österreich.
FOTO: UN WOMEN/EVA SIBANDA
Teilnehmer:innen der »Ring The Bell« Gedenkveranstaltung am Weltfrauentag 2022.

Uganda auf einen Blick

AGENTUR WWS
Landkarte Uganda (5/2022)

Hauptstadt: Kampala
Fläche: 241.037 km²
Einwohnerzahl: 47 Mio.
Währung: Uganda-Schilling
Klima: Tropisches Hochland
Staatsform: Präsidialregierung
Staatsoberhaupt: Yoweri Kaguta Museveni (seit 1986)
Landessprachen: Amtssprache Englisch, seit 2005 zusätzlich Suaheli, über 40 weitere Stammessprachen
Bevölkerungswachstum: 3,4 %
Gesundheitsversorgung: 5 Ärzt:innen pro 100.000 Einwohner:innen.
Alphabetisierungsrate: 76 % der Einwohner:innen ab 18 Jahren
Religionen: über 85 % christlich – 43 % Katholik:innen; 35,6 % Anglikan:innen; < 0,1 % östlich-orthodoxe Christ:innen; 11 % Anhänger:innen von Pfingstkirchen, Baptist:innen und Presbyterianer:innen; 10 % Muslim:innen; < 0,1 % Anhänger:innen verschiedener asiatischer Religionen; 0,1 % Anhänger:innen traditioneller Religionen

Quellen: Internet, Weltbank, MISEREOR, UBOS

 

LITERATURHINWEISE

  • Mario Cisternino, Passion for Africa. Missionary and Imperial Papers on the Evangelisation of Uganda and Sudan, 1848 –1923, Kampala 2004. 
  • Frederick Golooba-Mutebi, The Political Economy of Economic Transformation in Uganda, Kampala 2020.
  • Paul Mutume, Women’s Emancipation in Africa – Reality or Illusion? A Case Study of Mbarara, Western Uganda, Frankfurt am Main 2017.