Benigno Beltran

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Biographische Daten

  • geboren am 5. Juni 1946 in Kolambugan in der Provinz Lanao del Norte im Norden der Insel Mindanao
  • studierte zunächst einige Jahre Elektroingenieurswissenschaften an der Universität Santo Tomas in Manila
  • 1967 trat er bei den Steyler Missionaren
  • ordensübliche Ausbildung, in Manila und in Rom
  • 1985 Doktor der Theologie an der Gregoriana
  • 1978 bis 2000  Theologieprofessor an der Theologischen Hochschule der Steyler in Tagaytay tätig
  • 1988 Gastprofessor in Frankfurt

Geboren wurde Benigno Beltran am 5. Juni 1946 in Kolambugan in der Provinz Lanao del Norte im Norden der Insel Mindanao. Nach seiner Schulausbildung studierte er zunächst für einige Jahre Elektroingenieurswissenschaften an der Universität Santo Tomas in Manila. Eine Ausbildung, die ihm bei seiner späteren Tätigkeit unter den Müllsammlern von Smokey Mountain sehr zugute kam. 1967 trat er bei den Steyler Missionaren ein und durchlief die ordensübliche Ausbildung, zunächst in Manila, dann in Rom, wo er an der Gregoriana 1985 zum Doktor der Theologie promoviert wurde. Von 1978 bis 2000 war er als Theologieprofessor an der Theologischen Hochschule der Steyler in Tagaytay tätig. 1988 war Benigno Beltran Gastprofessor in Frankfurt, wo er in der Vorlesungsreihe von »Theologie Interkulturell« die Ansätze einer philippinischen kontextuellen Theologie vorstellte. Seit nunmehr drei Jahrzehnten ist das Leben und Werk des philippinischen Theologen Benigno Beltran eng mit dem »Smokey Mountain« – dem »dampfenden Abfallberg« – im Slum von Tondo in Manila verbunden. Den vielen Menschen, Männer, Frauen und vor allem Kinder, die auf dieser Müllkippe unter widrigsten ökologischen Bedingungen aus dem Müll ihren Lebensunterhalt bestreiten, ein menschenwürdigeres Leben zu verschaffen, ist so zu seiner Lebensaufgabe geworden. Unter dieser Rücksicht könnte man ihn als Anwalt für die vielen Filipinos ansehen, die in der immer noch stark feudalen Gesellschaft der Philippinen benachteiligt sind und täglich um ihr Überleben zu kämpfen haben. Benigno Beltran ist aber mehr, da er über die praktischen Hilfeleistungen für diese Menschen hinaus sich auch als Theologe einen Namen gemacht hat, der aus der intensiven Begegnung mit diesen Menschen, die am unteren Ende der Gesellschaft leben, neue theologische Antworten zu finden sucht.

Wie er selbst im Vorwort zu einem seiner Bücher schreibt: »In den vergangenen Jahrzehnten habe ich mit den Leuten von Smokey Mountain, der Müllkippe in Tondo zusammengearbeitet, wo insgesamt 3.500 Familien, die in 2.543 auf dem großen Müllhaufen erbauten Hütten leben, die sie in einer Un-Welt von Abfall, Qualm und Gestank aus Brettern, Blechen, Pappe und Plastik errichtet haben. Diese ›Müllmenschen‹ bestreiten ihren täglichen Lebensunterhalt, indem sie Abermillionen Tonnen Abfall auflesen, den sie dann zur Wiederverwertung verkaufen… Was bedeutet der Glaube an Jesus Christus in einem solchen Lebenskontext? «

Einen Teil der Antwort auf diese Frage haben ihm die »Müllmenschen« selber gegeben. Die Ausdrucksformen der Volksfrömmigkeit dieser einfachen gläubigen Menschen mit ihren teils animistischen und spiritualistischen Vorstellungen unterscheiden sich stark von den offiziell von den Kirche propagierten Glaubensinhalten und dogmatischen Festlegungen. Benigno Beltran hat versucht, die Inhalte dieser sich einer begrifflichen Formulierung entziehenden Christologie, die sich in der Praxis der Volksfrömmigkeit der Müllsammler zeigt, zusammenzutragen. Aufbauend auf einer groß angelegten Befragung unter den Müllsammlern hat er die charakteristischen Züge und die Bedeutung herausgearbeitet, die Jesus Christus für diese Menschen hat. Die Bilder von »Jesus dem Nazaräer« (Hesus Nazareno) oder vom »Jesuskind« (Santo Nino) sind konkret, aussagekräftig, metaphorisch und poetisch. In ihnen hat Benigno Beltran das Material entdeckt hat, um die darin unausformulierte Christologie der Müllsammler mit den dogmatischen Aussagen der offiziellen Christologie in ein Gespräch zu bringen. Das Ergebnis hat er bescheiden »Prolegomena zu einer philippinischen Christologie« genannt, von denen er hofft, dass sie über die Philippinen hinaus auch für die Weltkirche bedeutsam sein könnten.

Seit 1978 ist Benigno Beltran zusammen mit anderen Steyler Patres, unterstützt von Ordensschwestern und Seminaristen, unter den Müllsammlern von Smokey Mountain in der Pastoral- und Sozialarbeit tätig. 1989 wurde auf dem Gelände der Mülldeponie, mit Benigno Beltran als Pfarrer, die »Pfarrgemeinde des Auferstandenen Christus« gegründet, die 72 000 Menschen umfasst, von denen 95 Prozent unterhalb der Armutsgrenze leben. Die Mitglieder der Pfarrei sind in Basisgemeinschaften (Sambayanang Kristiyano) von je 12 Familien organisiert, in denen mit der Methode des Bibelteilens die Bibel gelesen und eine neue Form von Basistheologie entwickelt wurde. Ziel der Basisgemeinschaften ist, den Müllsammlern durch begeisternde Liturgie, durch schöpferische Verkündigung und durch den Aufbau zwischenmenschlicher Beziehungen zu einer ganzheitlichen spirituellen und menschlichen Entwicklung zu verhelfen, um sie aus Passivität und Stillhalten herauszuführen und zu selbständigem Handeln zu befähigen. Um diese ganzheitliche Entwicklung zu erreichen, gibt es Ausschüsse für Gesundheit, für Ausbildung, für Fürsorge bei Katastrophenfälle, für Sport und für allgemeine Anliegen des Lebensunterhalts, in denen die Müllsammler zusammen mit freiwilligen Helfern und Nichtregierungsorganisationen tätig sind. Besondere Anstrengungen gelten der schulischen Ausbildung der Kinder und den Ausbildungsprogrammen für die Älteren. Die Gemeinde betreibt mit Hilfe des Fernstudienprogramms der polytechnischen Universität der Philippinen eine berufsbildende Schule, durch die mehr als 1.000 Computertechniker und Sekretärinnen eine Ausbildung erhielten, von denen 80 Prozent danach feste Anstellungen fanden. Besonders erfolgreich ist auch das elektronische Lernprogramm, das den Vorgaben des Erziehungsministeriums entspricht, und Jugendlichen, die keinen Zugang zum normalen Schulbetrieb haben und sonst als Schulabbrecher kaum berufliche Chance hätten, den Zugang zu weiteren Ausbildungsprogrammen verschafft. Unterstützt wird die Gemeinde durch Geld- und Sachspenden – oft gebrauchte Computer – aus dem Ausland. Um den Lebensunterhalt der Müllsammler auf eine festere Basis zu stellen, hat die Gemeinde vielfältige genossenschaftliche Aktivitäten entwickelt, indem sie neben Ausbildungsprogrammen in verschiedenen Handwerken Produktionsgenossenschaften gegründet hat, in denen Kleidung, handwerkliche Kunstgegenstände, Fleisch- und Backwaren und eine Vielzahl anderer Produkte hergestellt und vermarktet werden. Das Programm für ein ganzheitliches menschliches Leben umfasst Ausschüsse für Wohnungsfragen, für Kommunikation, für Umweltschutz, für Frieden und Gerechtigkeit und für familiäre Angelegenheiten. Diese Arbeit ist inspiriert von der Überzeugung, dass die Aufgabe, Jesus als den Herrn zu verkünden, immer auch politische Dimensionen hat und alle Bereiche des menschlichen Lebens befreiend durchdringen muss. Bleibendes Zeugnis für die Anstrengungen der Müllsammler, aus ihren prekären Lebensumständen herauszukommen und selbständig ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können, ist der Bau der »Grünen Kirche« auf einem Teil der ehemaligen Mülldeponie »Smokey Mountain«. In das Projekt, eine ökologischen Prinzipien entsprechende neue Kirche für die »Pfarrgemeinde des auferstandenen Christus« zu bauen, wurde viel Planungsarbeit investiert und viele Menschen, nicht zuletzt die Müllsammler selber, beteiligt. Die fünfstöckige »Kirche der Hoffnung«, die 2008 fertiggestellt wurde, verfügt über Sonnenkollektoren, ein Auffangsystem für Regenwasser, Kompost-Toiletten ohne Wasser und Generatoren, die mit Kokos-Öl getrieben werden können. Spenden aus dem Ausland, u. a. von missio, dem Kindermissionswerk und von Kirche in Not, ermöglichten die Fertigstellung dieses großen Projektes. Das multifunktionale Gebäude verfügt über den eigentlichen kirchlichen Chorbereich für die Gottesdienste. Der soziale Bereich, der für Solidarität und Gleichheit steht, enthält eine Multifunktionsaula für Kultur- und Bildungszwecke. Das Untergeschoss mit dem Zentrum für Existenzgründungsprojekte umfasst die Bereiche Wirtschaft, Umwelt und Kooperation. Die Kirche stellt damit so etwas wie eine Dorfmitte dar, indem sie einen Raum schafft, wo Menschen sich treffen und sich als Teil einer solidarischen Gemeinschaft verstehen können.

Neben seiner Tätigkeit als Pfarrer der »Gemeinde des auferstandenen Christus«, die er seit 1989 ausübt, hat Benigno Beltran viele Leitungsfunktionen von Organisationen, die er meistens selber gegründet hat. So ist er Direktor des Sandiwaan Lernzentrums, das mit vielen Programmen Kindern und Jugendlichen hilft, sich für die Ausbildung in Grund- und weiterführenden Schulen zu qualifizieren. Daneben ist er auch Direktor des Zentrums, das Systeme für die Rückgewinnung von Materialien aus dem Müll von Smokey Mountain entwickelt hat. Auf dem kulturellen Bereich ist er als Direktor der traditionellen philippinischen Tanzgruppe »Kinder von Mutter Erde« tätig, die 1994 gegründet wurde und die in über 350 Auftritten für die Weckung ökologischen Bewusstseins in den Philippinen, aber auch im Ausland, aufgetreten ist. Auf nationaler Ebene ist Benigno Beltran Präsident eines nationalen Aktionsbündnisses, das sich für die Sanierung der Städte aus christlichem Geist einsetzt. Schließlich ist er auch der Vorsitzende des Veritas- Elektronischen Vermarktung-Netzwerkes, das den Mitgliedern der Basisgemeinden einen direkteren Zugang zu den für den Lebensunterhalt notwendigen Gütern ermöglichen soll.

Trotz dieser Vielzahl von Aktivitäten hat Benigno Beltran die Kraft und die Zeit gefunden, seine Begegnungen mit den Müllsammlern und deren Lebenserfahrungen theologisch zu reflektieren. Dabei war er sich immer bewusst, dass diese einfachen Menschen dabei seine eigentlichen Lehrer waren. Von ihrer Lebenseinstellung und ihrer Spiritualität hat er seine neuen Einsichten über Jesus Christus und über die Trinität gewonnen. So sieht er einen Zugang zu einem neuen Verständnis der Trinität in Werten von Integrität, Solidarität und Kreativität, die ihre Wurzeln in der philippinischen Kultur haben. Im Vorwort zu seinem jüngsten Buch »Hoffnung für einen Planeten in Gefahr « (Hope For A Planet in Peril), das demnächst in den USA erscheint, reflektiert er seine Erfahrungen, die er in 30 Jahren mit den Müllsammlern vom Smokey Mountain gewonnen hat. Dabei geht es ihm zentral darum, das Phänomen »Smokey Mountain« nicht als ein Einzelproblem einer Müllkippe in Manila zu sehen, sondern es als eine Metapher für die globale Situation unserer Erde zu verstehen, die dabei ist, durch die fortdauernden Umweltschädigungen zu einer globalen Müllkippe zu werden. Das Bild von »Smokey Mountain « steht so für das dunkle Szenario einer Welt, die durch Klimawandel, Artensterben und Raubbau an den Ressourcen und Bevölkerungswachstum gefährdet ist. Aber zugleich ist es auch Symbol der Hoffnung, indem es auf die Erfolge der Müllsammler hinweist, die Widerstand leisteten, solidarische Strukturen entwickelten und sich so ein menschenwürdigeres Leben erkämpft haben. Ihrem Kampf ist es zu verdanken, dass die Müllkippe von Smokey Mountain 1993 geschlossen wurde, als der damalige Präsident Fidel Ramos ein staatliches Erschließungs- und Sanierungsprojekt bekannt gab, das für die 3.500 Familien der Müllsammler die Bereitstellung von Übergangswohnheimen vorsah. Allerdings hat es bis zum Jahr 2004 gedauert, bis die versprochenen permanenten Wohnungen fertiggestellt waren, in denen 800 Familien zu verbilligten Mieten Wohnung fanden. Damit haben die Müllsammler von »Smokey Mountain« einen Beitrag zu einer globalen Bewegung für mehr Gerechtigkeit in der Welt geleistet, der weit über die Philippinen ausstrahlt.

Auch nach 30 Jahren Einsatz für die Müllsammler von Smokey Mountain strahlt Benigno Beltran, der Pfarrer der »Pfarrgemeinde des auferstandenen Christus «, eine nüchterne Begeisterung und unerschütterliche Hoffnung aus, wenn er feststellt: »Ich mag Hiob nicht, für meinen Teil ziehe ich die Auferstehung vor, die eine bessere Geschichte als die von Hiob ist, die von Resignation handelt. Wir brauchen hier keinen Hiob, was wir brauchen ist Auferstehung«. Für diesen Blick nach vorne steht auch das Programm, zu dem sich die Menschen vom Smokey Mountain verpflichtet haben, zum Schutz von Mutter Erde eine Million Bäume zu pflanzen als Wiedergutmachung für die Umweltzerstörung, die durch die Mülldeponie in über 50 Jahren verursacht wurde.

GEORG EVERS
Missionswissenschaftler