Buchrezension

Buchrezension zu Regina Reinart: Die Amazonien- Synode als Chance und Herausforderung der Mission.

 

von Thomas Fornet-Ponse

 

Die vorliegende Studie der Misereor-Mitarbeiterin Regina Reinart wurde im Sommersemester 2020 an der Kölner Hochschule für Katholische Theologie – Sankt Augustin als Dissertation angenommen und widmet sich der Frage nach Aufgabe, Sendung und Gestalt der (katholischen) Kirche unter den indigenen Völkern im Amazonasgebiet. Schon beim Blick in das Inhaltsverzeichnis fällt ein besonderes Merkmal dieser Arbeit auf, nämlich die ausführlichen Anhänge, in denen die Autorin zahlreiche im Amazonasgebiet tätige Menschen in Interviews zu Wort kommen lässt, sowie diverse schwer zugängliche Dokumente (wie das »Morumbi-Dokument« zur Präsenz der Kirche unter indigenen Völkern von 1968) und Hintergrundinformationen bereitstellt.

Neben diesen Anhängen, einer Einleitung und einer die Ergebnisse bündelnden Conclusio besteht die Arbeit aus fünf Kapiteln, von denen die ersten beiden den kulturanthropologischen und rechtlich-politischen Rahmen skizzieren. Am Beispiel des indigenen Volks der Munduruku schildert Regina Reinart die relevanten Herausforderungen indigener Völker in Brasilien allgemein sowie mit Blick auf ihr Welt- und Gottesbild und ihre Kosmologie für eine kirchliche Präsenz beziehungsweise Mission, die sich im Laufe der Geschichte von Entfremdung und Diskriminierung hin zu einer Annäherung entwickelt hat. Im zweiten Kapitel geht es um die Behandlung der indigenen Völker vonseiten des brasilianischen Staates mit einem Fokus auf die Territorienfrage. Dabei schildert Reinart auch ausführlich die verschiedenen nationalen wie internationalen politischen Akteure, die sich im Amazonasgebiet für die Rechte der Indigenen einsetzen.

Das dritte Kapitel widmet sich der konkreten Missionspraxis der katholischen Kirche in dieser Region sowie der Reflexion darüber. Hierzu arbeitet die Autorin zunächst anhand des Morumbi-Dokuments sowie des Indigenen-Leitfadens die Kontroverse um Inkulturation oder Akkulturation als Kernpunkt heraus und stellt die Tätigkeit von vier Personen (Hugo Mense, Genoveva Helena Boyé, Thomaz de Aquino Lisboa und Vicente Cañas Kiwxi) als konkrete Beispiele vor. Anschließend analysiert sie die Dokumente der Generalversammlungen des Episkopats von Lateinamerika und der Karibik seit Medellín 1968 hinsichtlich ihrer Aussagen zum Umwelt- und Indigenenschutz, bevor sie auf lokale Treffen der amazonischen Bischöfe sowie relevante Enzykliken und apostolische Schreiben eingeht.

Auf dieser Grundlage folgt mit dem vierten Kapitel zur Amazoniensynode das Kernstück der Arbeit, in dem die Autorin zunächst relevante Aussagen aus Evangelii gaudium und Laudato si’ als Fundamente dieser Synode sowie einen Briefwechsel zwischen Bischof Wilmar Santin und Papst Franziskus skizziert. Anschließend wird der umfangreiche Konsultationsprozess, der der Synode vorausgegangen ist, einschließlich des Vorbereitungs- und Arbeitsdokumentes untersucht und ferner der eigentliche Synodenverlauf (insbesondere mit dem erneuerten Katakombenpakt) geschildert. Zum Abschluss analysiert und vergleicht Reinart das Schlussdokument und die päpstliche Exhortation Querida Amazonia und zeigt dabei deutlich, dass das Schlussdokument an vielen Stellen konkreter ist als die Exhortation und beispielsweise bei den Überlegungen zu einem Amazonien-Ritus die »indigenen Elemente als eine Bereicherung im ›Wert der Evangelisierung‹ und einen Schritt hin zur ›Dezentralisierung‹ und ›Kollegialität‹ an[erkennt], während die Exhortatio lediglich von ›aufgreifen‹ spricht« (239).

Die Konsequenzen für die Mission zieht sie im fünften und letzten Kapitel, indem sie mit einem besonderen Akzent auf die Munduruku herausstellt, welche Anstöße die Amazoniensynode zu einer veränderten Missionspraxis gibt. Diesbezüglich sind insbesondere die Frage nach einer der ethnischen, kulturellen und religiösen Vielfalt auch in ihren Strukturen entsprechenden nachkolonialen Kirche sowie eines Amazonien-Ritus zu nennen, aber auch die Frage nach einem kirchlichen Dienstamt für Frauen, die insbesondere in der medialen Rezeption eine große Rolle spielte. Damit verbindet sie Anstöße für die gesamte Weltkirche – insbesondere in Richtung pluri- und interkultureller Partnerschaften sowie den Anstößen des panamazonischen Netzwerks REPAM für ähnliche Initiativen in Afrika und Asien und unterstreicht somit abschließend die weltkirchliche Bedeutung der Amazoniensynode.

Auf den ersten Blick mag es angesichts des Titels dieser Arbeit verwundern, dass sich der Großteil der Arbeit mit den kulturanthropologischen, politisch- rechtlichen wie kirchengeschichtlichen Hintergründen beschäftigt und demgegenüber der eigentliche Synodenverlauf und das Schlussdokument in den Hintergrund zu treten scheinen. Diese Ausführungen sind jedoch notwendig zum richtigen Verständnis des Kontextes in seiner Vielschichtigkeit, der gerade durch den exemplarischen Fokus auf ein indigenes Volk und vier Personen, die in Brasilien missionierten, sehr anschaulich wird. Dabei profitiert die Arbeit sehr von der konkreten Erfahrung der Autorin vor Ort sowie den Hintergrundinformationen, die sie aus ihrer Berufstätigkeit bei MISEREOR einfließen lassen kann. Systematisch hätte die Arbeit noch durch eine stärkere Reflexion auf den Missionsbegriff – gerade in Zusammenhang mit der von Judith Gruber vorgelegten einschlägigen Studien zur Interkulturalität als theologische Ressource – gewonnen. Insgesamt ist es jedoch eine lesenswerte Arbeit und sehr hilfreich für die Bestrebungen um eine stärkere »Dekolonialisierung « in der katholischen Kirche, indem diese Thematik für den deutschen Kontext kenntnisreich erschlossen wird.  

Autor

Thomas Fornet-Ponse

ist Leiter der Abteilung Bildung des katholischen Missionswerks missio Aachen e.V.

Zur Autorin

Regina Reinhart

Regina Reinart hat einen Bachelor der Theologie und kulturellen Anthropologie in Dublin sowie einen Master in Theologie in São Paulo gemacht. Seit 2013 arbeitet sie hauptberuflich als Brasilienreferentin beim Hilfswerk MISEREOR in Aachen und ist u. a. für die Projekte im brasilianischen Amazonasgebiet verantwortlich.

Regina Reinart
Die Amazonien-Synode als Chance und Herausforderung der Mission.
Der Imperativ des Umweltschutzes, der Stärkung der indigenen Völker und des Aufbaus indigener Ortskirchen,
Siegburg 2021

Franz-Schmitt-Verlag
Buch Regina Reinart, Die Amazonien-Synode als Chance und Herausforderung der Mission. Der Imperativ des Umweltschutzes, der Stärkung der indigenen Völker und des Aufbaus indigener Ortskirchen