Integrale Mission

Länderbericht Serbien

 

Kleine Gemeinschaft, groß in der Fürsorge

Serbien: Ein Land an Scheidewegen

von Ladislav Nemet

Ein Land an der Donau, so könnte man Serbien kurz beschreiben. Die Donau ist ein Fluss, der verschiedene Länder seit Jahrtausenden verbindet. Sie kann aber auch eine Grenze oder ein Scheideweg für verschiedene Kulturen und Identitäten sein, wie im Falle Serbiens deutlich wird. Glücklicherweise gibt es heute aber auch viele Brücken, die beide Flussseiten miteinander verbinden.

Bischof Ladislav Nemet SVD

Autor

Ladislav Nemet SVD

studierte in Polen Philosophie und Theologie und promovierte in Italien. Im Jahr 1977 ist er in die katholische Ordensgemeinschaft der Gesellschaft des göttlichen Wortes eingetreten (SVD, Steyler Missionare). Von 2004 bis 2007 war er Provinzial der Steyler Missionare in Ungarn. Im August 2006 hatte ihn die Ungarische Katholische Bischofskonferenz zum Generalsekretär gewählt. Seit April 2008 ist er Bischof von Zrenjanin in Serbien.

Die Republik Serbien ist einer der jüngsten Staaten Europas. In heutiger Form wurde sie erst 1999 gebildet, nämlich nach der NATO-Bombardierung und dem Abzug des jugoslawischen Militärs aus Kosovo und Metohija.

Serbien ist ein multiethnischer, multikultureller und multireligiöser Staat. Mit einem Durchschnittsalter von 40,7 Jahren zählt die serbische Bevölkerung zu den älteren – etwa 17,4 Prozent der Bevölkerung sind älter als 65 Jahre. Vor allem Jüngere und besser Ausgebildete verlassen das Land. Jährlich sind es etwa 35.000 Menschen, die aus Serbien auswandern.

 

Die politische Lage

Serbien befindet sich auf dem Weg in die Europäische Union, seit Jahren ist es ein Beitrittskandidat. Das Land ist eine parlamentarische Demokratie, mit vielen politischen Parteien und einer ziemlich schwachen Zivilgesellschaft.

Es scheint, dass seit dem Zerfall Jugoslawiens das Land und seine Bevölkerung noch nicht recht zu ihrer Identität gefunden haben. Die Regierung wird, mit kleineren und unwesentlichen Änderungen, von denjenigen Personen geführt, die in den 90er-Jahren mit dem Regime von Slobodan Miloševic´, der maßgeblich zum Zerfall des früheren Jugoslawien beigetragen und am damals ausgebrochenen Krieg beteiligt war, zusammenarbeiteten. Allerdings wirken diese Personen jetzt in anderen Parteien und betreiben nicht immer die gleiche Politik wie zur damaligen Zeit. Es gibt auch keine wirksame Opposition. Die wirtschaftliche Misere und die unsichere Existenz im Lande werden aufgrund hoher Korruption und einer mangelnden Gewaltenteilung zusätzlich verstärkt. All dies macht es für jüngere und besser ausgebildete Bürgerinnen und Bürger schwierig, im Heimatland zu bleiben. Die noch immer ungelöste Frage von Kosovo und Metohija sowie die Zukunft der großen serbischen Nationalgruppe in Bosnien und Herzegowina verschärft die Situation zusätzlich. Nach Ansicht der serbischen Regierung bilden der Kosovo und Metohija die südliche Provinz von Serbien, nach der Auffassung der Kosovaren aber, die in dieser Provinz leben, ist der Kosovo ein souveräner Staat. 98 Prozent der Einwohner/-innen Kosovos sind albanischer Herkunft. Kosova, wie die Albaner ihr Land nennen, ist von mehr als 90 Staaten anerkannt.

Die Sympathie für Russland ist groß, größer als für die Europäische Union. Dies ist insofern interessant, als dass es allgemein bekannt ist, dass kaum jemand nach Russland ziehen möchte, um dort eine bessere Zukunft zu finden. Stattdessen führt der Weg die meisten Auswanderer in den Westen. In jüngster Zeit wird China immer präsenter im Land, mit großen Investitionen und Krediten, besonders in den Infrastrukturprojekten. Auch die Rolle der USA wird nicht allzu positiv bewertet, was unter anderem auf deren Rolle in Kosovo und Metohija zurückzuführen ist. Im Jahr 1999 haben Flugzeuge der NATO fast drei Monate lang Serbien bombardiert. Diese Aktion wurde erst im Juni desselben Jahres mit dem Abkommen von Kumanovo und der Resolution 1244 vom UN-Sicherheitsrat beendet. Nach diesem Abkommen musste das offizielle Serbien de facto Kosovo und Metohija verlassen und die Provinz wurde zur Enklave der UNO erklärt.

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FOTO: ISTOCK
Die Donau zieht sich durch Serbien und stellt teilweise eine natürliche Abgrenzung verschiedener Identitäten und Kulturen dar. Doch es gibt auch Brücken, die die ökumenische Begegnung ermöglichen und fördern.
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In der Hauptstadt Belgrad befindet sich der Dom des Heiligen Sava. Mit einer Fläche von 4.830 m2 zählt der neobyzantinische Bau zu den größten orthodoxen Gotteshäusern weltweit.
FOTO: ROBERT DEAK, DIÖZESE ZRENJANIN
Die Johannes-Nepomuk-Kathedrale befindet sich in Zrenjanin. Im dortigen Bistum leben rund 70.500 Katholikinnen und Katholiken. Seit April 2008 ist Ladislav Nemet Bischof von Zrenjanin.

Serbien auf einen Blick

Hauptstadt: Belgrad
Fläche: 88.361 km2 (enthält auch das Gebiet des völkerrechtlich umstrittenen Kosovo)
Einwohner: 6,9 Millionen
Ethnische Gruppen: Serben 83,3 %, Ungarn 3,5 %, Roma 2,1 %, Bosnjak 2 %, andere 5,7 %
Amtssprache: Serbisch beziehungsweise Serbokroatisch
Religion: Orthodoxe 84,6 %, Katholiken 5 %, Muslime 3,2 %, Protestanten 1 %, Atheisten 1,1 %
Regierungsform: Parlamentarische Demokratie

Quelle: Volkszählung 2011; Auswärtiges Amt

Landkarte Serbien 2021 (c) Johannes Weitzel
Serbien auf einen Blick